Der Staubozean
Dalusas bleiches, zerstörtes Gesicht grau werden. Ich schauderte, fühlte mich übel und packte die Kante der Anrichte mit beiden Händen.
Dalusa sah aus, als hätte sie an einem Schwamm voll Säure gesaugt. Ihr Mund war geschwollen und abstoßend; ihre Lippen waren so aufgequollen und entstellt, daß sie wie kleine rote Würstchen wirkten. Weiße Fetzen feuchter, roter Haut klebten an den Rändern ihrer Lippen, und ihr entstellter Mund war mit schwarzen und gelben schwärenden Blasen übersät.
Ich schaute weg. Dalusa begann zu reden. Ich war so verblüfft, daß sie in der Lage war zu sprechen, daß ich ihre Worte beinahe nicht aufnahm. Sie sprach langsam und lispelnd, ihre Lippen schienen auf unnatürliche Weise aneinanderzuhaften. Bei jedem Konsonant öffneten sie sich klebrig.
»Siehst du, was du mir angetan hast?«
»Ja«, sagte ich. Es würde ihre Qual nur noch steigern, wenn ich darauf hin wies, daß es eher ihre Verantwortlichkeit als meine war.
Aber sie sagte nichts, und die Stille dehnte sich schmerzlich aus. Schließlich sagte ich: »Ich hatte keine Ahnung, daß es so schlimm sein würde. Die Strafe steht in keinem Verhältnis zu dem kleinen Funken Freude - Gott ist grausam zu dir, Dalusa.«
Ihr Mund bewegte sich mühsam, aber ich konnte kein Wort hören. »Was?« fragte ich.
»Liebst du mich?« wiederholte sie. »Wenn du mich liebst, ist alles in Ordnung.«
»Ja, ich liebe dich«, sagte ich. Und obwohl der Satz als Lüge begonnen hatte, wurde mir, als ich ihn ausgesprochen hatte, bestürzt klar, daß ich die Wahrheit gesagt hatte.
Dalusa begann lautlos zu weinen, dünne glänzende Tränen rannen mit unnatürlicher Geschwindigkeit über ihre bleichen, vollkommenen Wangen, um die geschwollenen Ränder ihres Mundes zu berühren. Unwillkürlich stand ich auf, um sie zu umarmen, hielt aber dann inne. Nicht zum ersten Mal, und sicher nicht zum letzten Mal, wurde ich von peinigender Frustration zerrissen.
»Du glaubst mir nicht«, sagte ich, und meine Gedanken vollführten einen plötzlichen intuitiven Sprung. »Du möchtest, daß ich ebenso leide wie du. Deine Liebe besteht aus Schmerzen, also kannst du mir nicht glauben, solange ich deine Qual nicht teile.«
Dalusa stöhnte - ein merkwürdiger gutturaler Laut, der meine Haare zu Berge stehen ließ. »Warum? Warum können wir einander nicht berühren? Was habe ich getan? Was hat man mir angetan?«
»Wußtest du, daß ich ein Paar Handschuhe habe?« fragte ich.
Dalusa starrte mich an und brach in hysterisches Lachen aus. »Handschuhe auf einem Walfängerschiff?« Plötzlich sprang sie mit einem Rascheln ihrer Schwingen von dem Stuhl auf, griff nach ihrer Maske und rannte unbeholfen die Stufen hinauf und durch die Luke.
Ich setzte mich auf den Stuhl und schnupperte. Dalusa benutzte Parfüm.
8
Die Fahrt geht weiter
N ACHDEM ICH MIT DEM G ESCHIRR FERTIG WAR , ging ich wieder auf Deck, Dalusa war fortgeflogen. Auf meinem Weg zurück zum Aufzug traf ich einen Botenjungen von Merkles Bar und Grill mit meiner Bierbestellung. Er trug eine völlig schwarze Maske, die ihn sofort als Landratte kennzeichnete. Ich bezahlte ihn und brachte die Flaschen in die Küche hinunter. Dann reinigte ich die Destillationsanlage mit einer harten Flaschenbürste aus Draht und fing an, Whisky zu brennen.
Als ich wieder Hunger bekam, schüttete ich das abscheuliche Zeug in eine Flasche um und stellte es in einen Schrank. Mit ein wenig Glück würde ich nie davon trinken müssen. Dann ging ich zurück zum Aufzug. Langsam kroch er an der im Schatten liegenden Seite der Felswand empor. Die Sonne wurde vom westlichen Horizont in der Mitte geteilt, und die Ostwand des Kraters warf das Licht zurück. Im dunkler werdenden Himmel traten die ersten Sterne als verschwommene Flecken hervor.
Ich ging zur Starcross Street zurück. Es gab keine elektrisch betriebenen Reklameschriften - sie waren gesetzlich verboten -, aber die Körpersäfte der nullaquanischen selbstleuchtenden Lebensform fanden massiv Verwendung. Zu meiner Rechten bildeten sechs schwankende Nullaquaner eine menschliche Pyramide; sie hatten vor, in ein Fenster im zweiten Stock eines Bordells einzusteigen. Aus verschiedenen Kneipen drang laute Tubamusik, von den schwülstigen schrillen Tönen nullaquanischer Kornetts begleitet. Ich trat über einen brabbelnden Handelsmatrosen hinweg und schaute mich nach einem ruhigen Restaurant um. Es gab nicht viele, aber schließlich fand ich eines, einen Betrieb, der Nullaquas
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