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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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seines weißen Hemds hochgerollt und einen langen, fleckigen Verband von seinem Arm gewickelt. Der Zustand der Entzündung an diesem einen Arm hätte zwei oder drei weniger robuste Männer zu Bett gezwungen. Flack, eine Lanzette in der Hand, starrte auf die Wunde und dann auf den Kapitän, als erwartete er, daß dieser auf der Stelle tot zu Boden fiele. Doch Desperandum wollte nicht zusammenbrechen, und schließlich nahm Flack eine Punktion vor. Das konnte ich daran erkennen, daß die Männer scharf den Atem einsogen. Ich hatte meine Augen abgewandt; Entzündungen widerten mich an.
    Als diese Prozedur vorbei war, goß Desperandum die ekelhafte Flüssigkeit in einen dünnen Kunststoffbeutel und verschnürte ihn mit einer Drahtschlinge.
    »Ich werde Dalusa beauftragen, über das Tier herzufliegen und es von oben zu bombardieren«, sagte er. »Dieser blumenähnliche Auswuchs, den es hat, sieht verwundbar aus, meinen Sie nicht auch, Mr. Flack?«
    Flack erwiderte: »Jawohl, Sir. Haben Sie Fieber?«
    »Wenn ich ärztliche Hilfe brauche, werde ich Sie anfordern. Frische Verbände!«
    »Die Wunde braucht Luft, Sir.«
    »Ich will keinen Staub darauf. Außerdem würde mein Ärmel festkleben.« Das traf zweifellos zu. »Öffnen Sie die Luke ein wenig, Matrose. Bewegung!«
    Der Mann, der der Luke am nächsten war, öffnete sie einen kleinen Spalt.
    »Spähen Sie hinaus. Sehen Sie einen der Tentakel in der Nähe?«
    »Nein, Sir, ich …«
    Im gleichen Moment wurde die Luke von außen zugeschlagen. Sie traf den Matrosen am Kopf, so daß er besinnungslos drei Stufen hinunterstürzte, direkt in die Arme Murphigs.
    Ich schaute zur Luke hoch. Es waren keine Löcher in ihr. Ein Glück für den betäubten Matrosen, denn er war soeben einer schnellen Trepanierung entgangen.
    »Damit wäre das also beantwortet«, sagte Desperandum. »Die Anemone hat ihre Position gewechselt. Sie kann nicht beide Luken gleichzeitig erreichen. Mr. Bogunheim, gehen Sie zur Kombüsenluke und rufen Sie den Ausguckposten herein!«
    »Nehmen Sie Ihre Maske«, warf ich ein. »Die Anemone hat ein Loch durch die Luke gebohrt, als ich geflüchtet bin.« Das staubabweisende elektrostatische Feld schaltete sich automatisch aus, sobald die Luke geschlossen war, und zweifellos sickerte auch jetzt noch Staub in die Luft im Schiffsrumpf herab.
    Kurz darauf kam Bogunheim zusammen mit Dalusa zurück. Ziemlich verblüfft starrte sie auf die am Boden liegende Gestalt des betäubten Matrosen, um den Flack sich inzwischen kümmerte.
    »Hier«, sagte Desperandum, als er ihr den schwarzen Beutel voll Blut gab. »Ich möchte, daß Sie über die Anemone fliegen und sie damit bombardieren. Versuchen Sie, genau zu zielen, Dalusa!«
    »Was ist da drin?« fragte Dalusa, den Beutel hin und her schüttelnd.
    »Wasser«, erwiderte Desperandum. Er log so überzeugend, daß auch ich fast darauf hereingefallen wäre. »Haben Sie die letzte Position des Tieres in bezug auf die Luken festgestellt, als Sie in der Luft waren?«
    »Ja, Käpt'n. Es hatte drei seiner Arme an dieser Luke …« Mit einem dramatischen Flügelschwung wies sie darauf, »… aber die andere war unbewacht.«
    »Gut. Wir werden die Männer mit Spaten und Netzen ausrüsten. Durch die Kombüsenluke gehen wir raus und umzingeln das Tier. Alle Aktionen haben sich auf strikte Selbstverteidigung zu beschränken und werden der Anemone so wenig Schaden wie möglich zufügen. Versucht, euch nicht von ihr packen zu lassen. Denkt daran, daß euer Blut das Wesen vergiftet.«
    Die Männer schienen diesem Befehl unbedingt gehorchen zu wollen.
    Mit einem Spaten bewaffnet ging ich neben Calothrick aufs Deck hoch. In einer verzweifelten Lage, so dachte ich, wäre es einfacher, das Ungeheuer zu töten, indem ich es mit Calothrick fütterte, als es mit dem Spaten totzuschlagen. Jedes Geschöpf mit einer so einfachen Körperstruktur, wie die Anemone sie hatte, wäre schwer zu töten.
    Ich hoffte inständig, daß das Blut in Desperandums Beutel eine Überdosis war. Das Gift täte seine Wirkung, solange Dalusa Desperandums Lüge glaubte und ihren Auftrag ausführte.
    Ich fragte mich, ob sie drinnen das Blut gerochen hatte, als sie ohne Maske war. Ich hatte mich nie nach der Schärfe ihres Geruchssinns erkundigt. Was würde sie tun, wenn sie wußte, daß es sich um Blut handelte? Würde sie darin baden und sich dadurch die Haut verätzen, oder würde sie vielleicht trinken, ihre Kehle versengen und sich den fast sicheren Tod durch bakterielle

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