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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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des Sonnenlichts war unermeßlich aufmunternd. Die Bucht war heller, freundlicher und erinnerte nicht mehr an offene Gräber, verlassene Bergwerkstollen und ähnlich unerfreuliche Aufenthaltsorte. Die Staubläufer wurden von einer entnervenden Drohung zu einer bloßen Reizung.
    »Geht nach unten und holt mir ein Faß Öl«, befahl Desperandum. Drei der Männer, darunter Murphig, eilten unter Deck und waren bald darauf zurück. Sie stöhnten unter ihrer elfenbeinernen Last. Desperandum hob das Faß hoch und hielt es wie eine Tasche unter einem Arm, während er auf die Reling zutrat. Er berührte die Arretierung mit einem Fuß und klappte ein Stück der Reling herunter. Die Staubläufer kamen jetzt schnell heran. Sie zeigten keine Furcht vor dem plötzlichen Sonnenlicht. Ihre Facettenaugen glitzerten wie billige Imitationen von Rubinen.
    Desperandum streifte die wasserdichte Walhauthülle von dem Faß und begann damit, das Öl in einem dicken Strom über Bord zu gießen. Da er noch nie Waltran auf Staub gegossen hatte, war er sich über die besonderen Eigenschaften des Stoffes nicht im klaren. Es breitete sich nicht, wie er erwartet hatte, als entflammbare dünne Haut aus. Statt dessen saugte das Öl den Staub auf, wurde zu einem dicken schwarzen Klumpen und versank wie ein Stein.
    Wegen seiner Staubmaske konnte ich Desperandums Gesichtsausdruck nicht erkennen, aber ich nahm an, daß er völlig verblüfft war. Die Tiere hatten uns jetzt fast erreicht; ihre rostigen Quietschlaute waren ohrenbetäubend.
    Desperandum setzte das Faß ab. »Geht nach unten!« schrie er. Eine Sekunde lang standen die Männer benommen herum, dann hasteten sie auf die Luken zu.
    Inzwischen hatten die Staubläufer uns völlig umzingelt. In ihrem Eifer, an Deck zu kommen, stiegen sie übereinander. Es waren nicht so viele, wie ich anfangs gedacht hatte. Vielleicht war es gerade eine Million dieser Wesen. Sie veranstalteten immer noch einen entnervenden Lärm - er wirkte so wie Metallfeilen, die über die eigenen Zähne kratzten -, während sie damit begannen, unterhalb der Reling auszuschwärmen. Das Schiff war immer noch in Bewegung, und das bereitete ihnen einige Schwierigkeiten. Desperandum versuchte, seine Anemone zu retten. Doch sie schien sich nicht retten lassen zu wollen und hielt ihn mit ihren zuckenden Tentakeln auf Distanz. Diese hatten die gleiche Wirkung wie Selbstmorddrohungen.
    Einen weiteren Tag zusammengekrümmt im Laderaum zu verbringen war mehr, als ich ertragen konnte. Ich hatte das Sonnenlicht genossen. Nullaquas Sonne, gewöhnlich von bläulicher Färbung, die ich vom ästhetischen Standpunkt aus bei einem Stern für unnütz hielt, hatte noch nie so schön ausgesehen. Außerdem war Dalusa auf Erkundungsflug, und ich wollte auf sie warten. Als die übrigen Besatzungsmitglieder sich durch die Luke drückten, stieg ich also energiegeladen in die Wanten, bis mein Kopf sich in Höhe der Rahe des Großsegels befand.
    Desperandum spielte noch immer mit seinen Tierchen herum. Jetzt war er von beiden Luken im Mittelrumpf abgeschnitten. Und was das Schlimmste war: Seine Schützlinge benötigten seine Hilfe gar nicht, wie ich anhand der sechzehn ausgesaugten Staubläuferleichen schließen konnte, die ich an diesem Morgen neben dem Glasbottich gefunden hatte.
    Desperandum war umzingelt. Plötzlich streckte der treue Flack seinen maskierten Kopf aus der Kombüsenluke. »Käpt'n! Käpt'n! Hierher!« schrie er, aber seine Stimme war über dem unerträglichen Quietschen kaum hörbar. Trotzdem blickte Desperandum auf.
    Irgend etwas pochte sanft gegen den Rumpf des Schiffs.
    Das Quietschen hörte auf, war urplötzlich wie abgeschnitten. Meine Ohren schrillten infolge der unerwarteten Stille. Wie ein einziger Körper sprangen die Staubläufer an der Steuerbordseite vom Schiff und glitten mit rasender Geschwindigkeit in furchtsamer Lautlosigkeit über den Staub.
    Das war eines der ungewöhnlichsten Dinge, die ich je gesehen hatte.
    Und dann kam etwas, das es zur Bedeutungslosigkeit verblassen ließ.
    Über die Backbordreling kam ein gewaltiger, spitz zulaufender Schlauch von der Größe eines jungen Baumstammes, gespickt mit Dornen, die mindestens fünfzehn Zentimeter Durchmesser hatten. Dem Schlauch folgten die übrigen träge sich windenden Tentakel, schwarze, dornige Scheußlichkeiten, dick genug für Kanalrohre. Ich hatte keinen sehr guten Blick auf sie, da ich zu beschäftigt damit war, in panischer Angst die Wanten hochzusteigen.
    Als

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