Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
Krans vom Deck direkt auf mich zu. Ich weiß nicht, wie ich es schaffte, aber Sekunden später fand ich mich in wackliger Stellung auf dem Fußtau der unteren Fockrahe, die von den Tauen verbrannten Hände um die Verspannung geklammert, um mein Gleichgewicht zu halten.
    »Passen Sie auf, wo Sie hintreten, Newhouse«, warnte Desperandum mit lauter Stimme. »Sie hätten das Tier vergiften können!«
    Die Seefahreretikette hätte meine Erwiderung nicht unterdrücken können, aber ich hatte die Maske noch auf. Mein Zittern bekam ich schnell unter Kontrolle. »Wenn Sie schon da oben sind, Newhouse, fangen Sie schon mal an, die Segel zu reffen. Wir müssen unsere Geschwindigkeit mindern, sonst treffen wir auf die Felsen.«
    Aggressionen zwischen verschiedenen Spezies waren mir fremd, aber ich konnte mir eine Menge einfacherer Lösungen unseres Problems vorstellen. Ich reffte die Segel ziemlich stümperhaft, aber meine Bemühungen brachten sowieso nicht viel, da ich nur vier Segel erreichen konnte - und die Lunglance hatte zwanzig.
    Dalusa flatterte näher heran. Sie flog ziemlich tief und wurde daher beinahe von einem tückisch zuckenden Tentakel gepackt. Mein Herz sprang mir bis in den Mund. Mühsam schluckte ich und versetzte es wieder in seine normale anatomische Position. Menschliches Blut, so sagt man, sollte Anemonen töten. Ich nahm das für bare Münze, wenn ich auch nicht begierig darauf war, es auszuprobieren. Aber Dalusas Blut war anders. Sie könnte sogar für nullaquanische Haie tödlich sein, deren Hochleistungs-Verdauungssysteme aus Menschen Horsd'oeuvres machten. Andererseits könnte die Anemone sie ausgesprochen reizvoll finden, wie dies ja auch bei mir der Fall war.
    Die Anemone schien erregt zu sein. Nicht oft erhielt sie die Chance auf einen Appetithappen wie Dalusa, und die verpatzte Gelegenheit mußte sie geärgert haben. Ziemlich mißmutig, so fand ich, legte sie zwei ihrer Tentakel um die Großsegelrahe und riß sie mit einem heftigen Krachen los. Ein weiterer Tentakel packte den Tisch der jungen Anemone, zerrte ihn vom Deck los und schleuderte ihn fort. Die Männer spritzten auseinander, und die Anemone, die die Bewegung spürte, griff nach ihnen. Ihre Arme streckten sich über eine erstaunliche Entfernung aus und reichten so nahe an die Luke heran, daß die Männer diesen Fluchtweg aufgaben und mit bravouröser Behendigkeit in die Takelage hüpften.
    Während die Anemone abgelenkt war, rutschte ich, ohne auf meine verletzten Hände zu achten, die Webeleine hinab und eilte geduckt durch die Luke zur Küche. Und das gerade noch rechtzeitig, denn als ich die Luke hinter mir schloß, sauste ein Tentakel mit solcher Wucht auf sie herab, daß sich ein Dorn mit schrecklichem Krachen durch das dünne Metall bohrte.
    Ich lief durch den Laderaum zum Speiseraum des Kapitäns. Desperandum saß, von seinen Männern umringt, auf dem Tisch. Er bog sich unter seinem Gewicht.
    »Mit Feuer würde es gehen. Mit Harpunen könnten wir kurzen Prozeß machen. Es zu töten ist kein Problem, es ist unserer Gnade ausgeliefert. Was ich will, ist irgendein Weg, das Tier zu lähmen.«
    Die Matrosen blickten ihn starr an. Ich zog meine Staubmaske ab.
    »Ich glaube, fünf Männer könnten es in ein Segel einhüllen und es vollständig unter Kontrolle haben. Meldet sich jemand freiwillig?«
    Ich hob meine Hand, um den Schweiß von meiner Stirn zu wischen.
    »Sie nicht, Newhouse, Sie brauche ich als Koch.« Er sah mich freundlich an, seine kleinen, von Runzeln umgebenen Falten von Anerkennung erfüllt. »Sonst keine Freiwilligen?«
    Ich schaltete mich ein, ehe der Rest der Mannschaft durch die Enthüllung ihrer vernünftigen Einstellung in Verlegenheit gebracht wurde.
    »Käpt'n, ich hab' da eine Idee.«
    »Und die lautet?«
    »Wir könnten das Geschöpf narkotisieren. Eine minimale Dosis menschlichen Bluts müßte seine Widerstandsfähigkeit schwächen.«
    »Narkotisieren?«
    »Jawohl, Käpt'n, narkotisieren.« Er wirkte so verblüfft, daß ich fortfuhr: »Narkotika. Fremde Stoffe, die in den Blutkreislauf eingegeben werden.«
    »Ich kenne die Bedeutung des Wortes. Ja, das hört sich brauchbar an. Matrose Calothrick, holen Sie eine Schüssel. Ich wollte das ohnehin aufschneiden lassen, und das scheint der passende Zeitpunkt zu sein.«
    Calothrick hatte immer noch seine Staubmaske auf, zweifellos um seine vom Flackern verzückten Gesichtszüge zu verstecken. Als er mit einer Schüssel zurückkam, hatte Desperandum den Ärmel

Weitere Kostenlose Bücher