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Der Staubozean

Titel: Der Staubozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Sterling
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Verseuchung holen?
    Aber das war jetzt alles nebensächlich. Dalusa stieg auf straffen fledermauspelzigen Schwingen schnell empor und ließ den Beutel fallen; er traf mit einem scheußlichen Klatschen genau auf den rosenförmigen Auswuchs des Körpers, von dem die Tentakel ausgingen.
    Die Anemone bewegte ihre Arme unschlüssig, während ein schleimiger Klumpen gerinnenden Bluts ihren Körper herablief. Dann übergab sie sich, wobei sie eine dickliche, gelbe Brühe aus den Hohlspitzen ihrer Dornenschnäbel ausstieß. Der zähe Saft trat mit scheußlich schlürfenden Lauten aus; die widerlichen Geräusche währten etwa fünf Sekunden.
    Dann hörte die Anemone zu würgen auf, schlug mit den Armen und bespritzte die Mannschaft mit dem Schleim. Ein Klumpen flog haarscharf an meinem Kopf vorbei. Die meisten Besatzungsmitglieder wurden jedoch getroffen, denn sie hatten sich dem Untier mit bewundernswertem Mut genähert. Durch das schleimige Sperrfeuer aus der Fassung gebracht, zogen sich die Männer verwirrt zurück. Die Anemone löste sich vom Deck, warf vier Tentakel aus und schleppte sich wie wahnsinnig durch eine Gruppe der Seeleute. Ein aufmerksamer Matrose warf ein Netz über die Kreatur; sie ließ es prompt mitgehen, als sie über Bord glitt, um unter der Stauboberfläche zu verschwinden.
    Zwei ihrer Atemsiphos tauchten etwa zehn Meter neben dem Schiff auf und bliesen Staubwolken hoch.
    Desperandum wischte sich den verspritzten Schleim von den Linsen seiner Staubmaske und blickte über die Reling. »Sehr gut! Wir können ihrer Spur noch folgen!« schrie er. »Ausguck!«
    Dalusa war verschwunden.
    »Ausguck! Dalusa! Wo ist dieses Weib?«
    Plötzlich ein metallenes Knirschen und Kreischen. Die Wucht des Zusammenstoßes warf mich zu Boden. Direkt neben einem Spritzer des Mageninhalts der Anemone überschlug ich mich.
    »Hart Steuerbord!« bellte Desperandum. »Untiefen!«
    Die Felsen unterhalb der Oberfläche mußten durch Erosion abgeschliffen worden sein, denn sonst hätten sie ein Loch durch unseren Steuerbordrumpf gebohrt. Wie es sich herausstellte, war er nur etwas eingedrückt, und wir schafften es, bis zum Sonnenuntergang die Mitte der Bucht zu erreichen. Die Sonne ging hier früh unter, kurz vor ein Uhr. Erneut war der Strahl, der durch die Einfahrt zur Bucht fiel, unsere einzige Lichtquelle.
    Kurz darauf klagten achtzehn unserer sechsundzwanzig Besatzungsmitglieder, einschließlich des Kapitäns, über Brechreiz. Mr. Flack brauchte nicht sehr lange, um festzustellen, daß der Grund der Erkrankung irgendein Mikroorganismus der Anemone war. Überall, wo der Mageninhalt des Tiers verspritzt worden war, bildeten sich auf der Haut der Männer scharlachrote Beulen. Jene, die es am schlimmsten erwischt hatte, bekamen Fieber. Keiner der kranken Männer zeigte Appetit auf das Abendessen.
    Außer Kapitän Desperandum. Da Meggle erkrankt war, brachte ich die Mahlzeit der Offiziere selbst hinein, nachdem ich der übriggebliebenen Crew geholfen hatte, das Deck zu säubern. Desperandum hatte es nicht sonderlich schlimm erwischt. Nur die Finger seiner rechten Hand, mit der er die beschmierten Linsen seiner Staubmaske saubergewischt hatte, waren mit Ausschlag bedeckt.
    Als ich die Schüssel hereinbrachte, sprach Desperandum gerade mit Flack. Flack war bis zu der Hüfte entblößt; der Ausschlag sprenkelte seine Brust dort, wo der giftige Stoff durch sein dünnes Hemd gedrungen war. Sein Gesicht war gerötet, aber das Pflichtbewußtsein des Arztes hielt ihn auf den Beinen, auch in einer Situation, in der ein empfindlicher Mann sich betrunken hätte und zu Bett gegangen wäre.
    »Ich hab' Gerüchte über eine Allergie gehört, die mit Anemonen zu tun hat«, sagte Flack. »Wenn sie in einer Woche oder so verschwindet, werden wir wieder gesund. Ich bin allerdings nicht ausgebildet, vergessene Krankheiten zu behandeln. Anemonen sind schon seit dreihundert Jahren nicht mehr Überträger einer Krankheit gewesen. Aber in Ausdauer gibt es Aufzeichnungen und besser ausgebildetes Personal. Ich meine, wir sollten dorthin segeln, und zwar schnell.«
    Ich hob den Deckel von der Krabben-Kasserolle. Dampf stieg auf; Flacks Gesicht verfärbte sich ins Grünliche. Es war eines von Kapitäns Desperandums Lieblingsgerichten, aber er steckte die Kelle mit bemerkenswertem Mangel an Begeisterung hinein und reichte die Schüssel an Mr. Grent weiter. Bogunheim war auch krank und mit den Männern an Deck, aber Grent hatte wie ich Glück

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