Der Stechlin.
Und ich kenne ja Ihre Vorliebe für derlei Fragen.«
Stechlin legte den Brief unter den Briefbeschwerer und sagte: »Der gute Rex! Er überschätzt mich. Dissenterstudien. Es genügt mir, wenn ich einen einzigen Quäker sehe.«
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Was Rex da schrieb, hatte doch ein Gutes gehabt: Woldemar, erheitert bei dem Gedanken, sich durch Ralph Waddington in ein Tabernakel eingeführt zu sehn, sah sich mit einem Male einer gewissen Abspannung entrissen und war froh darüber, denn er brauchte durchaus Stimmung, um noch einige Briefe zu schreiben. Das ging ihm nun leichter von der Hand, und als elf Uhr kaum heran war, war alles erledigt.
Der andre Morgen sah ihn selbstverständlich früh auf. Fritz war um ihn her und half, wo noch zu helfen war. »Und nun, Fritz«, so waren Woldemars letzte Worte, »sieh nach dem Rechten. Schicke mir nichts nach; Zeitungen wirf weg. Und die drei Briefe hier, wenn ich fort bin, die tue sofort in den Kasten… Ist die Droschke schon da?«
»Zu Befehl, Herr Rittmeister.«
»Na, dann mit Gott. Und jeden Tag lüften. Und paß auf die Pferde.«
Damit verabschiedete sich Woldemar.
Von den drei Briefen war einer nach Stechlin hin adressiert. Er traf, weil er noch mit dem ersten Zuge fort konnte, gleich nach Tisch bei dem Alten ein und lautete:
»Mein lieber Papa. Wenn Du diese Zeilen erhältst, sind wir schon auf dem Wege. ›Wir‹, das will sagen: unser Oberst, unser zweitältester Stabsoffizier, ich und zwei jüngere Offiziere. Aus Deinen eignen Soldatentagen her kennst Du den Charakter solcher Abordnungen. Nachdem wir ›Regiment Königin von Großbritannien und Irland‹ geworden sind, war dies ›uns drüben vorstellen‹ nur noch eine Frage der Zeit. Dieser Mission beigesellt zu sein, ist selbstverständlich eine große Ehre für mich, doppelt, wenn ich die Namen, über die wir in unserm Regiment Verfügung haben, in Erwägung ziehe. Die Zeiten, wo man das Wort ›historische Familie‹ betonte, sind vorüber. Auch an Tante Adelheid hab’ ich in dieser Sache geschrieben. Was mir persönlich an Glücksgefühl vielleicht noch fehlen mag, wird sie leicht aufbringen. Und ich freue mich dessen, weil ich ihr, alles in allem, doch so viel verdanke. Daß ich mich von Berlin gerade jetzt nicht gerne trenne, sei nur angedeutet; Du wirst den Grund davon unschwer erraten. Mit besten Wünschen für Dein Wohl, unter herzlichen Grüßen an Lorenzen, wie immer Dein Woldemar.«
Dubslav saß am Kamin, als ihm Engelke den Brief brachte. Nun war der Alte mit dem Lesen durch und sagte: »Woldemar geht nach England. Was sagst du dazu, Engelke?«
»So was hab’ ich mir all immer gedacht.«
»Na, dann bist du klüger gewesen als ich. Ich habe mir gar nichts gedacht. Und nu noch drei Tage, so stellt er sich mit seinem Oberst und seinem Major vor die Königin von England hin und sagt: ›Hier bin ich.‹«
»Ja, gnädiger Herr, warum soll er nich?«
»Is auch ‘n Standpunkt. Und vielleicht sogar der richtige. Volksstimme, Gottesstimme. Na, nu geh mal zu Pastor Lorenzen und sag ihm, ich ließ’ ihn bitten. Aber sage nichts von dem Brief; ich will ihn überraschen. Du bist mitunter ‘ne alte Plappertasche.«
Schon nach einer halben Stunde war Lorenzen da.
»Haben befohlen…«
»Haben befohlen. Ja, das ist gerade so das Richtige; sieht mir ähnlich… Nun, Lorenzen, schieben Sie sich mal ‘nen Stuhl ran, und wenn Engelke nicht geplaudert hat (denn er hält nicht immer dicht), so hab’ ich eine richtige Neuigkeit für Sie. Woldemar ist nach England…«
»Ah, mit der Abordnung.«
»Also wissen Sie schon davon?«
»Nein, ausgenommen das eine, daß eine Deputation oder Gesandtschaft beabsichtigt sei. Das las ich, und dabei hab’ ich dann freilich auch an Woldemar gedacht.«
Dubslav lachte. »Sonderbar. Engelke hat sich so was gedacht, Lorenzen hat sich auch so was gedacht. Nur der eigne Vater hat an gar nichts gedacht.«
»Ach, Herr von Stechlin, das ist immer so. Väter sind Väter und können nie vergessen, daß die Kinder Kinder waren. Und doch hört es mal auf damit. Napoleon war mit zwanzig ein armer Leutnant und an Ansehn noch lange kein Stechlin. Und als er so alt war wie jetzt unser Woldemar, ja, da stand er schon zwischen Marengo und Austerlitz.«
»Hören Sie, Lorenzen, Sie greifen aber hoch. Meine Schwester Adelheid wird sich Ihnen übrigens wohl anschließen und von heut’ ab eine neue Zeitrechnung datieren. Ich nehm’ es ruhiger, trotzdem ich einsehe, daß es
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