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Der Stechlin.

Der Stechlin.

Titel: Der Stechlin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane , Helmuth Nürnberger
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Kiebitze haben sich seit kurzem hier eingefunden, an unserm Stechlin, da, wo die Binsen stehn; aber bloß auf der Globsower Seite. Nach der andern Seite hin wollen sie nicht. Ich habe mir gedacht, es sei vielleicht ein Fingerzeig, daß ich nun auch welche nach Friedrichsruh schicken soll. Aber das geht nicht; dann gelt’ ich am Ende gleich für eingeschworen, und Uncke notiert mich. Wer dreimal Kiebitzeier schickt, kommt ins schwarze Buch. Und das kann ich schon Woldemars wegen nicht.«
    »Is auch recht gut so. Was zu viel ist, ist zu viel. Er soll sich ja mit der Lucca zusammen haben photographieren lassen. Und während sie da oben in der Regierung und mitunter auch bei Hofe so was tun, fordern sie Tugend und Sitte. Das geht nicht. Bei sich selber muß man anfangen. Und dann ist er doch auch schließlich bloß ein Mensch, und alle Menschenanbetung ist Götzendienst. Menschenanbetung ist noch schlimmer als das Goldene Kalb. Aber ich weiß wohl, Götzendienst kommt jetzt wieder auf, und Hexendienst auch, und du sollst ja auch - so wenigstens hat mir Fix erzählt - nach der Buschen geschickt haben.«
    »Ja, es ging mir schlecht.«
    »Gerade, wenn’s einem schlecht geht, dann soll man Gott und Jesum Christum erkennen lernen, aber nicht die Buschen. Und sie soll dir Katzenpfötchentee gebracht haben und soll auch gesagt haben: ›Wasser treibt das Wasser.‹ Das mußt du doch heraushören, daß das ein unchristlicher Spruch ist. Das ist, was sie ›besprechen‹ nennen oder auch ›böten‹. Und wo das alles herstammt… Dubslav, Dubslav… Warum bist du nicht bei den grünen Tropfen geblieben und bei Sponholz? Seine Frau war eine Pfarrerstochter aus Kuhdorf.«
    »Hat ihr auch nichts geholfen. Und nu sitzt sie mit ihm in Pfäffers, einem Schweizerbadeort, und da schmoren sie gemeinschaftlich in einem Backofen. Er hat es mir selbst erzählt, daß es ein Backofen ist.«
    Der erste Tag war immerhin ganz leidlich verlaufen. Adelheid erzählte von Fix, von der Schmargendorf und der Schimonski und zuletzt auch von Maurermeister Lebenius in Berlin, der in Wutz eine Ferienkolonie gründen wolle. »Gott, wir kriegen dann so viel armes Volk in unsern Ort und noch dazu lauter Berliner Bälge mit Plieraugen. Aber die grünen Wiesen sollen ja gut dafür sein, und unser See soll Jod haben, freilich wenig, aber doch so, daß man’s noch gerade finden kann.« Adelheid sprach in einem fort, derart, daß Dubslav kaum zu Wort kommen konnte. Gelang es ihm aber, so fuhr sie rasch dazwischen, trotzdem sie beständig versicherte, daß sie gekommen sei, ihn zu pflegen, und nur, wenn er auf Woldemar das Gespräch brachte, hörte sie mit einiger Aufmerksamkeit zu. Freilich, die italienischen Reisemitteilungen als solche waren ihr langweilig, und nur bei Nennung bestimmter Namen, unter denen »Tintoretto« und »Santa Maria Novella« obenan standen, erheiterte sie sich sichtlich. Ja, sie kicherte dabei fast so vergnügt wie die Schmargendorf. Ein wirkliches, nicht ganz flüchtiges Interesse (wenn auch freilich kein freundliches) zeigte sie nur, wenn Dubslav von der jungen Frau sprach und hinzusetzte: »Sie hat so was Unberührtes.«
    »Nu ja, nu ja. Das liegt aber doch zurück.«
    »Wer keusch ist, bleibt keusch.«
    »Meinst du das ernsthaft?«
    »Natürlich mein’ ich es ernsthaft. Über solche Dinge spaß’ ich überhaupt nicht.«
    Und nun lachte Adelheid herzlich und sagte: »Dubslav, was hast du nur wieder für Bücher gelesen? Denn aus dir selbst kannst du doch so was nicht haben. Und von deinem Pastor Lorenzen auch nicht. Der wird ja wohl nächstens ‘ne ›freie Gemeinde‹ gründen.«
    So war der erste Tag dahingegangen. Alles in allem, trotz kleiner Ärgerlichkeiten, unterhaltlich genug für den Alten, der, unter seiner Einsamkeit leidend, meist froh war, irgendeinen Plauderer zu finden, auch wenn dieser im übrigen nicht gerade der richtige war. Aber das alles dauerte nicht lange. Die Schwester wurde von Tag zu Tag rechthaberischer und herrischer und griff unter der Vorgabe, »daß ihr Bruder anders verpflegt werden müsse«, in alles ein, auch in Dinge, die mit der Verpflegung gar nichts zu tun hatten. Vor allem wollte sie ihm den Katzenpfötchentee wegdisputieren, und wenn abends die kleine Meißener Kanne kam, gab es jedesmal einen erregten Disput über die Buschen und ihre Hexenkünste.
    So waren denn noch keine acht Tage um, als es für Dubslav feststand, daß Adelheid wieder fort müsse. Zugleich sann er nach, wie das wohl

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