Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
gegenüber nur so etwas wie Besitzerstolz.
»Komm schon, Fleck!«, sagte Dagnarus und legte Gareth den Arm um die Schultern. »Du fällst sonst noch vor Erschöpfung um. Und ich muss jetzt zu meiner geliebten Valura und sie darüber hinwegtrösten, dass ich die nächsten sieben Tage nicht zu ihr ins Bett kommen werde.«
»Ich dachte, Ihr hättet mit ihr gestritten«, meinte Gareth.
Dagnarus zwinkerte ihm zu. »Ich habe ihr verziehen.«
Die beiden verließen den Altarraum. Der Vrykyl hatte sich wieder auf den Altar gelegt, um die schlaflosen Stunden so gut wie möglich zu verbringen. Er sah ganz ähnlich aus wie die Statuen auf den Sarkophagen.
Gareth war gezwungen, den Zauberbann von der Eisentür zu nehmen, damit Dagnarus jederzeit Zugang zum Altarraum haben würde. Dies kostete ihn ebenso viele Schmerzen wie die Verhängung des Banns – Schmerzen, die er vor dem Prinzen verbergen wollte.
Aber Dagnarus war ohnehin schon zu vereinnahmt von der Vorfreude auf das Bett seiner Geliebten, um noch etwas anderes wahrzunehmen.
Die Sieben Prüfungen
Der neue Tag begann hell und klar. Die Orks brachten ihre Boote zu Wasser – die Vorzeichen hatten gutes Wetter und einen guten Fang versprochen. Helmos stand an dem riesigen Fenster des Turmzimmers und schaute hinunter auf den See. Er konnte die Segel der Fischerboote sehen, die wie weiße Vögel über das Wasser flatterten.
Direkt unter ihm, im Hof des Schlosses, wand sich die Prozession, die Dagnarus zum Tempel begleitete, wie eine Schlange aus dem Palast hinaus. Soldaten der Armee von Vinnengael säumten den Weg und jubelten und schlugen mit den Schwertern gegen die Schilde oder stießen mit den Schäften ihrer Speere auf den Boden. Das hatten sie für Helmos nicht getan.
»Die Männer und viele ihrer Befehlshaber stehen treu zu ihm«, sagte Helmos grübelnd zu sich selbst. »Im Augenblick besteht keine Gefahr. Die Armee hält treu zu meinem Vater. Solange er König ist, wird die Armee hinter ihm stehen. Aber was ist mit mir? Was passiert, wenn ich einmal König bin?«
Helmos drückte die Stirn ans Glas. Dagnarus, strahlend in dem schlichten weißen Gewand eines Kandidaten, ging die Reihe der Jubelnden entlang, begleitet von seinem Vater. Tamaros ging langsam, also war Dagnarus dazu gezwungen, seine langen, ungeduldigen Schritte zu mäßigen, um sich seinem Vater anzupassen, aber der König brauchte keinerlei Hilfe, benutzte keinen Stock und stützte sich auch nicht auf den Arm seines Sohnes. Die Soldaten jubelten Dagnarus vielleicht zu, aber sie beugten die Knie in Verehrung und Respekt vor dem König.
»Ich verstehe deinen Plan und deinen Wunsch, Vater«, sagte Helmos zu dem alten Mann, der so weit drunten einherging, dass er wirkte wie eines von den Spielzeugen, die Dagnarus als Kind gehabt hatte. »Ich weiß, du willst, dass ich in Frieden herrsche, mit Weisheit und Gerechtigkeit, und dass mein Bruder, bewaffnet mit Schild und Schwert, hinter mir steht, um das Reich zu verteidigen. Ein wunderbarer Traum. Ich bete zu den Göttern – um deinetwillen, Vater, mehr als um meinetwillen –, dass dieser Traum wahr wird.
Aber ich glaube nicht, dass die Götter meine Gebete erhören«, fügte Helmos traurig hinzu. »Ich halte es für erheblich wahrscheinlicher, dass mein Bruder mir nicht den Rücken decken, sondern mir einen Dolch hineinstoßen wird.«
»So melancholisch?«, fragte eine liebevolle Stimme an seiner Seite.
Als Helmos sich umdrehte, sah er seine Frau, die wie üblich so leichten Schrittes hereingekommen war, dass er sie nicht gehört hatte. Er lächelte sie an. Er streckte den Arm aus und zog sie an sich.
»So war es, aber dein Anblick ist wie ein Sonnenstrahl durch die Wolken gedrungen, die mich umgaben, und hat meine finstere Stimmung aufgehellt.«
Anna schaute auf die Szene im Hof nieder, und dann sah sie wieder ihren Mann an. Er teilte jeden Gedanken mit ihr, jeden Traum, jeden Wunsch, jede Angst. Jede Angst bis auf eine, die er nicht beim Namen nannte, nicht einmal sich selbst gegenüber. Sie wusste, was er gedacht hatte, als hätte sie seine Worte deutlich vernommen.
»Du und dein Vater, ihr habt euch immer noch nicht versöhnt?«, fragte sie.
»Er hat seit dem Tag der Ratssitzung nicht mehr mit mir gesprochen«, erwiderte Helmos bedrückt. »Er war wütend, weil ich nicht an dem Festessen teilgenommen habe, aber das wäre Heuchelei gewesen. Aus demselben Grund habe ich es vorgezogen, meinen Bruder heute nicht zum Tempel zu
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