Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
denen sie Zuflucht gesucht hatte, blickte auf.
»Dagnarus, bist du sicher? Sieh ihn dir doch an.« Sie deutete vage auf Gareth, hielt aber weiter den Blick gesenkt.
»Ich will es so, Mutter«, beharrte Dagnarus. »Ich will es haben.«
Das war alles, was er sagen musste, damals und später.
Ich will es haben.
Die Königin gestattete Gareth, ihr die Hand zu küssen, so lange er darauf achtete, dass sein Fleck nicht ihre Haut berührte. Gareths Mutter strahlte jetzt und schlug vor, den Fleck mit Puder zu verbergen. Die Königin war entzückt von diesem Vorschlag, und einen schrecklichen Augenblick lang befürchtete Gareth, sie würden es tatsächlich tun, aber wieder wurde er von Dagnarus gerettet.
»Die Götter haben ihn auf diese Weise gezeichnet«, erklärte Dagnarus und fügte in aller Unschuld hinzu: »Du würdest sie doch nicht beleidigen wollen, indem du dich ihren Wünschen widersetzt, Mutter?«
Die Königin klimperte mit den Wimpern. Wie die meisten modernen Menschen in Vinnengael gab Königin Emillia nicht viel auf die Götter, die ihr weit entfernt erschienen. Sie war ebenso wie viele Mitglieder des Königlichen Hofes der Ansicht, dass die Ehrenwerten Magier präsent und zweifellos imstande waren, ihre Macht zu demonstrieren, sodass man sie sowohl sehen als auch benutzen konnte. Daher wandten sich die Menschen eher an sie und ihre Magie als an die Götter. König Tamaros war eine Ausnahme. Er war ein frommer Mann und stark im Glauben, und es schien, als belohnten ihn die Götter dafür, denn Tamaros – und durch ihn ganz Vinnengael – war einzigartig vom Glück begünstigt.
Aber obwohl Königin Emillia selbst nicht viel von den Göttern hielt, bestand sie darauf, dass ihr Kind zumindest so tat, als betete es sie an. Daher konnte sie nun ihrem scharfsinnigen Sohn nichts entgegensetzen. Er hatte sie in die Enge getrieben, und sie konnte nichts tun, außer sich abermals wegen der Kopfschmerzen zu beschweren und mit schwacher Stimme zu erklären, dass sie sich wieder ins Bett zurückziehen würde.
Die Damen huschten in alle Richtungen davon, einige, um Wasser zu holen, um Ihrer Majestät die Stirn damit zu kühlen, andere brachten Nesselsud, der beruhigend für die Augen sein soll. Gareths Mutter hob dankend den Blick zum Himmel, dann schob sie ihren Sohn aus dem Weg, als sie sich auf die Suche nach Lavendelwasser machte, um Ihrer Majestät Hände damit zu betupfen.
Dagnarus äußerte freundlich die Hoffnung, dass sich seine Mutter bald besser fühlen werde, und er und Gareth verließen das Zimmer, Dagnarus mit einem Lächeln auf den Lippen und Gareths Handgelenk immer noch fest umklammert, als wollte er alle herausfordern, doch zu versuchen, ihm den Freund wieder abzunehmen.
Was Gareth anging, so lag es ihm auf der Zunge, zu sagen, dass es nur eine alte verrückte Bettlerin gewesen war, die ihn verflucht hatte, nicht die Götter. Aber er schwieg. Er lernte, Dagnarus zu vertrauen und alles seinem besseren Urteilsvermögen zu überlassen.
Wirre Fäden
Als man Evaristo drei Jahre zuvor gebeten hatte, der Lehrer des damals sechsjährigen Prinzen zu werden, waren er und seine Frau überglücklich gewesen, weil sie annahmen, dass dies ihr Schicksal erheblich zum Besseren wenden würde. Evaristo war ein ehrgeiziger Mann, der seine Bequemlichkeit liebte, sich über sein hübsches Stadthaus freute und hoffte, seinen Kindern nun ein gutes Leben bieten zu können. Er selbst hatte das Gegenteil nur zu gut kennen gelernt.
Als armer, unwissender Jugendlicher in den Straßen von Delon Ren war Evaristo ein Zauberer-Hausierer gewesen, der die magischen Krümel auflas, die die Götter fallen ließen, und sie nutzte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es gab viele solcher umherziehenden Zauberer in Loerem, die ihre Magie mit unterschiedlichem Erfolg anwandten. Magie ist, ebenso wie Sonne und Luft, Wasser und Erde, für alle zu haben, die über die Begabung und den Wunsch verfügen, sie für sich zu beanspruchen. Einige sind bei der Anwendung der Magie besser als andere, ebenso wie es Leute gibt, die bessere Steinmetze oder Lautenspieler sind. Es gibt solche, die eine echte Begabung für Magie haben, und andere, die nur herumdilettieren.
Evaristo gehörte zu den Begabten. Magie hatte sich ihm und seiner Familie als nützlich zum Überleben erwiesen, denn Delon Ren war eine Stadt mit wenig Gesetzen und noch weniger Bürgern, die sich daran hielten. Magie verschaffte Evaristo den Respekt, den sich andere mit
Weitere Kostenlose Bücher