Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
Er war schon halb aus der Tür. Seine Frau folgte ihm.
»Wir sprachen gerade über diesen Silwyth«, hakte sie sanft nach.
»O ja. Entschuldige, meine Liebe, ich war abgelenkt.« Evaristo blieb stehen und zog sich die Kapuze über den Kopf. An diesem Vorfrühlingsmorgen fiel ein eisiger Schneeregen. »Der König will die Elfen in keiner Weise beleidigen, und daher ist Silwyths Stellung als Kämmerer sicher, obwohl er den jungen Prinzen dazu ermutigt, dem Klassenzimmer fernzubleiben und sich bei den Soldaten herumzutreiben.« Evaristo küsste seine Frau auf die Wange. »Niemand wagt es, auch nur ein einziges Wort gegen den Elf zu sagen, und daher traut sich auch niemand, mir die Schuld daran zu geben, dass der Prinz nicht angemessen unterrichtet wird, denn wenn dies geschieht, werde ich öffentlich aussprechen, was ich bisher nur im Verborgenen gesagt habe.«
»Das gefällt mir nicht, Evaristo«, erklärte seine Frau und hielt ihn mit liebevoller Hand auf. »Jeder weiß, dass Elfen alles zuzutrauen ist – Gift, ein Messer in den Rücken. Keine Stellung ist so etwas wert, nicht einmal die eines Lehrers am Königlichen Hof. Warum bittest du die Bibliothekarin nicht, dich zu versetzen?«
»Ich danke dir für deine Sorge, meine Liebe. Leider ist keine andere Arbeit so gut bezahlt wie diese. Außerdem bin ich nicht in Gefahr.« Evaristo lächelte ironisch. »Silwyth hat gewonnen. Sein Einfluss auf den Prinzen ist gesichert. Ich stelle keine Bedrohung für ihn dar. Und im Augenblick denkt ohnehin niemand an etwas anderes als an Prinz Helmos' Verwandlung.«
»Du hast doch dafür gesorgt, dass wir gute Plätze bekommen, nicht wahr, Liebster?«, fragte seine Frau besorgt.
»Ja, selbstverständlich.« Evaristo konnte sich nicht so recht dazu durchringen, nach draußen in die Kälte zu gehen. »Habe ich dir erzählt, dass Prinz Helmos den kleinen Gareth zu dem Festessen eingeladen hat, das vorher stattfinden wird? Was für ein großzügiger, edler Mann der Kronprinz ist! Gareth ist so aufgeregt, dass ich ihn gestern nur im Schulzimmer halten konnte, indem ich ihn die Geschichte der Paladine lesen ließ. Das hat ihn beruhigt, das kann ich dir sagen! Schwer zu glauben, dass ein derart interessantes Thema so langweilig beschrieben werden kann. Aber das ist typisch Septimus Grubb. Und jetzt muss ich wirklich gehen.«
Er zog sich die Kapuze über, stellte sich dem schlechten Wetter und begann mit seinem unsicheren Weg über die gefährlich glatten Pflastersteine.
Gareth war nicht der Einzige, der wegen des bevorstehenden Rituals aufgeregt war. Seit fünfundzwanzig Jahren war kein Paladin mehr auserwählt worden. Diejenigen, die Zeugen der letzten Zeremonie geworden waren, mussten plötzlich alle möglichen Fragen nach ihren Erinnerungen beantworten und sprachen kaum mehr von etwas anderem. Hofschneiderinnen und -schneider arbeiteten auch noch im Lampenlicht, um der Nachfrage nach Festkleidung nachzukommen. Die Stadt selbst schmückte sich ebenfalls für das große Ereignis. Würdenträger und Gäste reisten aus allen Teilen der Welt nach Vinnengael, darunter auch einer der Hüter der Zeit aus dem Kloster auf dem Drachenberg.
Gebäude wurden frisch gestrichen und repariert, Straßen gefegt, Blumen gepflanzt. Die Geschäfte und Marktstände sollten am Tag der Verwandlung geschlossen bleiben, ebenso die Gasthäuser, aber darüber kam es zu einem Streit zwischen der Wirtsgilde und dem Bürgermeister von Vinnengael. Die Wirte erklärten, ihre Gäste würden nach einem schweren Tag des Jubelns und Klatschens durstig sein, und wollten ihre Tavernen geöffnet lassen. Der Bürgermeister erwiderte, dass es schon schwierig genug sein würde, die Aufregung der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten, ohne dass die Hälfte der Bürger auch noch betrunken war. Die Wirte stimmten schließlich unter der Bedingung zu, dass sie den Zimmerpreis um jeweils einen Halbpfennig aufschlagen durften und am folgenden Tag eine Stunde länger als üblich öffnen konnten.
Ganz Vinnengael versank in ein angenehmes und aufgeregtes Durcheinander – mit Ausnahme der Ehrenwerten Magier. Wie Evaristo versucht hatte, Gareth beizubringen, stellte die Verwandlung in einen Paladin eine heilige und feierliche Zeremonie dar, die die Magier ungemein ernst nahmen. Am Tag nach dem Festessen würde Helmos den Tempel betreten, um sich den Sieben Prüfungen zu unterziehen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Tempel mit der Ausnahme der Heilerhalle für alle anderen Besucher
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