Der Stein der Könige 1 - Quell der Finsternis
nach seinem Bett in den heimischen Wäldern, lechzte danach, frische, kühle, tannenduftende Luft tief einzuatmen. Manchmal erwachte er mitten in der Nacht aus einem Albtraum, in dem man ihn erstickte.
Er nutzte den Umstand, dass die meisten Bewohner des Schlosses angenehm besäuselt waren und man ihn wahrscheinlich zu dieser späten Stunde nicht mehr zum Prinzen rufen würde, und holte Pinsel und Tinte heraus, um ein Gedicht zu verfassen, das zum Schild gesandt werden sollte. Das Gedicht war lang und voller Symbole, Bildern von Regenbogen in den Wasserfällen, Adlern, die über den Palastmauern schwebten, silbernen Fischen, die im See sprangen. Jeder Mensch, der es gelesen hätte – jeder Mensch, der imstande gewesen wäre, die Elfensprache zu verstehen –, wäre darüber zutiefst gelangweilt eingeschlafen. Der Schild würde allerdings unter den Blüten, den Stielen und den Blättern zu den Wurzeln des Gedichts vorstoßen können, zu seiner wahren Bedeutung.
Wie Ihr befohlen habt, bin ich in den Haushalt des Königs vorgedrungen. Ich bin Kämmerer seines jüngeren Sohnes, eines eigensinnigen Jungen, der schon mit neun Jahren sehr ehrgeizig ist; er lernt rasch, ist aber zu ungeduldig für den Unterricht; er ist furchtlos, störrisch, gut aussehend. Eine gefährliche Mischung, besonders für einen Menschen. Er wird uns in der Zukunft vielleicht von Nutzen sein. Ich betrachte ihn, wie man eine unter einem Bann stehende Giftschlange betrachten könnte. Solange die Musik spielt und der Bann hält, kann man sich seiner bedienen. Sollte die Musik jemals aufhören, wird er sich erheben und zuschlagen.
Was Lord Mabreton angeht, ist er alles, was Ihr Euch je von ihm erhofft habt. Die Beziehungen zwischen seiner Fraktion und den Menschen verschlechtern sich rasch. Lady Mabreton lebt zurückgezogen in ihrem Haus am Hammerklauenfluss. Sie ist noch nicht bei Hofe erschienen, wofür wir dankbar sein müssen, denn die Lobgesänge über ihre Schönheit würden das Eselskreischen ihres Mannes übertönen.
Der ältere Sohn des Königs, Helmos, wird Paladin werden. Der Einfluss des Göttlichen wird schwächer. Wir sollten darauf vorbereitet sein zu handeln.
Nach dem letzten Pinselstrich rief Silwyth einen seiner Diener herbei, einen Mann aus seinem eigenen Haushalt, der mit ihm nach Vinnengael gekommen war. Silwyth hatte das Pergament mit dem Gedicht fest zusammengerollt und ordentlich in eine geschnitzte Röhre aus Knochen gepackt, die er nun dem Mann überreichte.
»Bring das hier zum Schild des Göttlichen. Hier sind Geld für das Portal und meine Erlaubnis, es zu betreten. Niemand außer dem Schild darf dieses Dokument sehen. Wenn du den Eindruck hast, dass du in Gefahr bist, von Feinden des Schildes gefangen genommen zu werden – mögen sie Menschen oder Elfen sein –, dann wirst du als Erstes das Dokument zerstören und dich dann selbst töten.«
Der Diener zeigte mit einer Verbeugung an, dass er verstanden hatte und die ihm auferlegte Pflicht annahm. Er steckte die Röhre in sein Hemd, wo sie an seinem Herzen ruhte. Dann verbeugte er sich abermals und ging.
Silwyth, dessen eigene Pflicht nun getan war, machte sich nicht erst die Mühe, sich hinzulegen. Er stellte sich ans Fenster, das auf den Hof hinausführte. Um diese Zeit war der Hof leer bis auf die Wachen. Ein Krieg würde mir von Nutzen sein, dachte Silwyth, der beobachtete, wie die Soldaten ihre Runden machten. Der erste menschliche Soldat, der durch das Portal kommt, wird den Niedergang des Göttlichen und die Erhebung des Schildes ankündigen. Und wenn der Schild aufsteigt, steige ich mit ihm auf.
Die Sonnenstrahlen, die sich anstrengten, in die engen Fenster des Elfen zu fallen, ließen Silwyth an die Morgendämmerung denken, wie sie sich in seinem eigenen Zuhause gerade aus ihrem Bett erhob. Tränen traten ihm in die Augen, und er schämte sich ihrer nicht.
Der brennende See
Am nächsten Morgen betrat Helmos den Tempel, um sich den Sieben Prüfungen zu unterziehen. Die zwei Wochen, in denen er weg war, waren die längsten in Gareths Leben. Der Tag, an dem Silwyth kam, um Prinz Dagnarus zu berichten, dass sein Bruder, Kronprinz Helmos, vom Rat der Paladine dazu auserwählt worden war, einer der ihren zu werden, und dass er der erste Kandidat war, der einstimmig angenommen wurde, war ein goldener Tag für Gareth, und es störte ihn nicht einmal, dass Dagnarus in übler Stimmung war und ihn ohne Grund so fest ins Gesicht schlug, dass seine Lippe
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