Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Sicherheit«, erklärte die Stimme. »Und wir sind nicht im Krieg mit Dunkarga.«
Das Gesicht verschwand, und Wolfram fragte sich, wen im Namen des Wolfs sie denn sonst bekriegten. Er hätte vielleicht an die Vinnengaelier gedacht, denn Karnu hatte das Königreich mit einem blitzartigen Überfall im Süden gedemütigt, bei dem es das Portal bei Romdemer erobert hatte, das nun wieder Dalak Vir hieß. Aber nun gehörte das vinnengaelische Ende des Portals schon seit vielen Jahren Karnu, und obwohl die Vinnengaelier immer wieder hitzig davon sprachen, es zurückerobern zu wollen, war es bisher bei diesen leeren Drohungen geblieben.
Das Gesicht erschien wieder. »Ihr könnt reinkommen«, sagte der Soldat widerwillig. »Aber ihr werdet beide überwacht, also seid vorsichtig.«
Wolfram führte das Pferd in den Zwinger und bemerkte dabei, dass die Soldaten grimmig und streng und wachsam dreinschauten. Er hätte vielleicht auch behauptet, dass sie einen furchtsamen Eindruck machten, aber das war von Karnuanern schwer zu glauben.
Das Tor wurde geschlossen. Arbeiter erschienen, um die Klappe zu reparieren. Dann stellte man eine Wache ab, die sie zur Hauptmauer der Stadt begleiten sollte. Es war eine Soldatin, denn in Karnu werden sowohl Männer als auch Frauen zwischen fünfzehn und zwanzig zum Kampf ausgebildet. Die besten Krieger werden in die Armee aufgenommen, der Rest kehrt zu Heim und Herd zurück, um das Land zu bebauen oder ein Handwerk zu erlernen und die Kinder zu künftigen Kriegern zu erziehen.
Aber auch ihnen nützt ihre militärische Ausbildung, denn sie dienen weiter in der Stadtmiliz und bewachen ihr Zuhause, wenn die Armee in anderen Regionen benötigt wird. Mit dieser Miliz ist nicht zu scherzen, denn sie ist gut ausgebildet und kämpft mit zusätzlicher Motivation – diese Leute kämpfen, um jene zu beschützen, die sie lieben.
»Ihr kommt aus dem Norden?«, fragte die Soldatin. Sie sprach abgehackt und mit angespannter Stimme. Das Wenige, was von ihrem Gesicht zu sehen war, wirkte bleich und müde.
»Ja«, bestätigte Wolfram.
»Und ihr habt nichts gesehen? Überhaupt nichts?«, fragte sie beinahe verzweifelt.
»Nein«, erwiderte Wolfram verwirrt und immer beunruhigter. »Die Straße war leer, wenn man von ihr einmal absieht.« Er wies mit dem Daumen auf Ranessa. »Ungewöhnlich für diese Jahreszeit. Ich befürchtete schon, dass etwas nicht in Ordnung ist. Das ist ein Grund, wieso sie und ich uns zusammengetan haben.«
Er sagte das sehr laut und mit einem durchdringenden Blick zu Ranessa, um ihr anzuzeigen, dass sie ihm nicht widersprechen sollte. Ihm war keine bessere Erklärung für die seltsame Tatsache eingefallen, dass ein Zwerg und eine Trevinici zusammen unterwegs waren.
Ranessa bemerkte seinen Blick, aber ob sie vorhatte, seine Geschichte zu bestätigen oder nicht, wusste er nicht. Sie schaute sich um und war so verblüfft über das, was sie erblickte, dass sie die Zügel des Pferdes losgelassen hatte. Das Pferd war neben Wolframs Tier hergetrabt.
Wolfram packte die Zügel und versetzte Ranessa einen nicht allzu sanften Stoß gegen das Schienbein. »Hör auf, so zu glotzen, Mädchen. Du siehst aus, als wärest du grade von einem Heuwagen gefallen. Du musst nicht der ganzen Welt zeigen, dass du noch nie in einer Stadt gewesen bist.«
»Es ist hier«, sagte sie und wandte sich dem Zwerg zu. »Ganz in der Nähe.«
»Was ist hier?«, fauchte Wolfram.
»Das Ding, das dir folgt.«
Wolfram tastete nach seinem Messer und fuhr so schnell herum, dass ihm beinahe schwindlig wurde.
Er konnte nichts hinter sich sehen außer mehr Stadt und mehr Soldaten. Sein rasender Herzschlag verlangsamte sich wieder zu normalem Tempo.
»Tu das nicht, Mädchen!«, sagte er verärgert. »Das hat mich mindestens zehn Jahre meines Lebens gekostet. Wieso behauptest du, dass jemand da ist, wenn das überhaupt nicht stimmt?«
»Es war da«, sagte sie und zuckte die Achseln. »Es ist da.«
Die karnuanische Soldatin starrte ihn an. »Was ist los, Zwerg?«
»Ich bin einfach ein wenig unruhig«, meinte er. »Kein Wunder bei all dem Gerede über Krieg. Es macht mich nervös.«
Die Karnuanerin bedachte ihn mit einem erbosten Blick und verdrehte angewidert die Augen. Ihre bereits vorher schlechte Meinung von Zwergen war nicht besser geworden.
»Ich bin schon seit vier Monaten unterwegs«, fuhr Wolfram fort. Er sprach nur mit der Soldatin und ignorierte Ranessa demonstrativ. »Oben im Trevinici-Land. Ich habe keine
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