Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Shal«,
sagte der Veteran.
Dann warf er die blutige Diele beiseite, griff nach einem Eimer, und das Wasser floss wieder. Die Leute wichen den Resten des brennenden Schlamms so gut wie möglich aus. Die Leiche des alten Mannes brannte weiter. Seine Tochter stand einen Augenblick mit gesenktem Kopf neben ihm, dann kehrte auch sie in die Eimerkette zurück.
Wolfram hatte das alles nur aus dem Augenwinkel bemerkt. Sobald die Flammen aufgeflackert waren, hatten sich die Pferde erschreckt aufgebäumt und Wolfram beinahe die Arme aus den Gelenken gerissen. Es kostete ihn ein paar schreckliche Augenblicke des Kampfes mit den bockenden Tieren, bis er die Pferde endlich wieder unter Kontrolle hatte. Erschöpft und keuchend blieb er stehen und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, aber sie waren von mehr Rauch als Luft umgeben, und er verbrachte den nächsten Augenblick würgend und hustend. Ranessa stand an seiner Seite und regte sich nicht.
»Du hättest mir wenigstens mit den Tieren helfen können, Mädchen!«, fauchte Wolfram, als er wieder sprechen konnte.
Sie drehte sich um und sah ihn ausgesprochen seltsam an, als sähe sie ihn nur aus weiter Ferne, als stünde sie auf einem Berggipfel und er wäre im Tal darunter, oder als wäre sie irgendwo in den Wolken, und er triebe auf dem weiten Meer.
»Warum tun sie einander das an?«, wollte sie wissen.
»Sei nicht dumm, Mädchen«, erwiderte er verärgert. »Der alte Mann hätte vielleicht noch stundenlang schreckliche Schmerzen aushalten müssen. Der Soldat hat ihm nur einen Gefallen getan.«
»Ich meine nicht nur das«, erklärte sie leise, und es wirkte so, als hätte sie ihn nie zuvor gesehen. Sie sprach mit einem Fremden. »Ich meine das alles.«
»Vollkommen übergeschnappt«, sagte Wolfram zu sich selbst.
Er warf einen letzten Blick auf die Leiche des alten Mannes, die inzwischen kaum mehr als ein verkohlter, schwelender Brocken war. Er schaute zu den brennenden Gebäuden hin, sah die junge Frau, die Eimer weiterreichte, während die Tränen beinahe unbemerkt über ihre Wangen flossen, den Veteran, der das Wasser weiterreichte, während er grimmig über die Schulter zum Hafen hin spähte.
In der Nähe gab es einen Sklavenpferch und einen Auktionsblock. Mehrere Orks, die mittels Fußketten miteinander verbunden waren, wurden rasch an einen sicheren Platz gebracht. Die Sklavenhändler waren nicht am Wohlergehen der Orks interessiert, nur an ihrem Profit. Die Orks hoben die Köpfe und versuchten, den Hafen zu sehen, wo die Freiheit lag. Sie wagten nicht zu jubeln, als ein karnuanisches Haus in Flammen aufging, denn die Sklavenmeister hatten Peitschen. Aber sie lächelten.
»All das«, sagte Ranessa wieder.
Wolfram wendete die Pferde. »Suchen wir einen anderen Weg.«
Der Vrykyl Jedash hatte die Spur des Zwergs und der Trevinici-Frau verloren, als sie den Nabir überquert hatten. Er hatte Tage damit verbracht, die Umgebung nach Hinweisen zu durchkämmen. Als er sie schließlich gefunden hatte, war die Spur längst kalt. Er nahm an, dass sie mindestens drei Tage Vorsprung hatten. Jedash wurde immer wütender über sein Versagen. Er konnte Shakurs ungeduldige Fragen nicht beantworten und tat nun sein Möglichstes, den andern Vrykyl zu meiden. Er benutzte das Blutmesser so selten wie möglich.
Jedash war sich wohl bewusst, dass Shakur wütend auf ihn war. Shakur verfluchte ihn für seine Unfähigkeit und konnte nicht begreifen, weshalb es Jedash noch nicht gelungen war, eine so leichte Beute einzuholen. Jedash konnte es sich im Grunde ja selbst nicht erklären. Es war, als versuche er, Rauch zu jagen. Einen Augenblick lang sah er alles klar und deutlich vor sich, im nächsten Augenblick wehte ein Wind, und die Verfolgten waren verschwunden.
Als er die Überreste ihres Lagers fand, stand er vor einer schwierigen Entscheidung. Er glaubte zu wissen, wohin sie unterwegs waren. Karfa Len war die einzige größere Stadt in diesem Teil von Karnu, und sie befanden sich auf der Straße dorthin. Er konnte ihnen weiter folgen und Zeit damit verschwenden, das Land nach ihnen zu durchsuchen, oder er konnte auf seine Vorahnung setzen, dass sie nach Karfa Len wollten und dort auf sie warten. Wenn er sie in der Stadt erwischte, würden sie ihn kaum abschütteln können.
Jedash kam zu dem Schluss, dass die Situation günstig war, und eilte nach Karfa Len. Er mied die Hauptstraße, denn er hatte schon seit einiger Zeit nichts gegessen, und wenn ein Vrykyl keine Nahrung bekommt,
Weitere Kostenlose Bücher