Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Silwyth.«
»Silwyth vom Haus Kinnoth!«, wiederholte Damra verblüfft, schockiert und ungläubig. Sie runzelte die Stirn. »Ich weiß nur von einem, der diesen Namen trug, und der lebte vor vielen Jahren. Er starb entehrt.«
»Es gibt nur einen Einzigen, der diesen Namen trägt, und dennoch lebt er ehrlos«, entgegnete der Elf ruhig.
»Ihr seid tatsächlich… Silwyth?« Damra starrte ihn verblüfft an. »Ist das denn möglich? Ihr wäret dann… gut über zweihundert Jahre alt.«
»Die Götter waren freundlich zu mir«, erwiderte Silwyth mit einem finsteren Lächeln.
Damra schüttelte den Kopf. »Euer Leben ist hier nichts wert. Ihr seid ein Gesetzloser, der zum Tode verurteilt wurde. Ich könnte Euch selbst töten, und man würde mich für eine Heldin halten.«
Der alte Mann nickte und zuckte die Schultern. Seine Hände waren verkrümmt, die Haut fest gespannt, so dass alle Knochen, Sehnen und Blutgefäße deutlich zu erkennen waren. Er trug die grob gesponnenen Kleider eines Bauern: weite Hosen und ein weites Hemd. Seine Füße waren nackt, die Haut ledrig.
»Mein Leben ist nirgendwo etwas wert. Aber nicht ich bin derjenige, dem im Augenblick Gefahr droht, Damra vom Haus Gwyenoc.« Er hob den Stock und zeigte damit auf die Suppe. »Wenn Ihr das da gegessen hättet, wäret Ihr inzwischen entweder tot oder am Sterben. Die magische Rüstung eines Paladins schützt gegen viele Waffen, aber nicht gegen jene, die man schluckt.«
Damra legte den Löffel nieder. Sie wischte sich sorgfältig die Finger an der Serviette ab. Dann sah sie wieder den alten Mann an. Wenn die Geschichten über ihn der Wahrheit entsprachen, dann befand sie sich in der Gegenwart des verräterischsten Elfs, der je gelebt hatte.
»Garwina von Wyval mag störrisch sein und kein guter Mensch, aber er ist kein Mörder. Zumindest«, verbesserte sie sich, weil sie an Griffith denken musste und die Tatsache, dass sein Leben in Gefahr war, »würde der Schild keinen Gast töten. Sein eigenes Haus würde sich gegen ihn erheben, wenn er ein solch schreckliches Verbrechen beginge. Und was das Vertuschen dieses Verbrechens angeht – das wäre unmöglich. Die Diener haben mich gesehen. Viele wissen, dass ich hierher gekommen bin, unter anderem auch der Göttliche. Es würde Fragen geben – «
»Und diese Fragen würden beantwortet werden«, erklärte Silwyth. »Ihr wäret an Herzversagen gestorben, Darnra von Gwyenoc. Fingerhut hat diese Wirkung. Ein solcher Tod wäre bei einer Frau eures Alters überraschend, aber nicht vollkommen unmöglich. Aber Ihr habt Recht. Garwina von Wyval ist nicht für diese Tat verantwortlich. Er hat nicht den Kopf für solch subtile Maßnahmen.«
Aber du hast ihn offensichtlich, dachte Damra und musterte den alten Mann misstrauisch. Er mochte schlicht gekleidet sein, aber er war kein Bauer. Sie hatte in seiner Stimme den Klang von guter Erziehung gehört, wie sie nur der Adel erhält, der die Zeit für solche Dinge hat. Silwyth vom Haus Kinnoth, verhöhnt in Geschichten und Liedern, war von adliger Geburt gewesen, gebildet und kultiviert.
»Warum sagt Ihr mir das? Warum warnt Ihr mich? Was hofft Ihr damit zu erreichen?«, wollte Damra wissen.
»Dass mein Haus wieder zu Ehre gelangt und seinen Platz in der Geschichtsschreibung von Tromek zurückerhält. Mein Haus kann dieses Ziel durch eine Tat großen Mutes oder durch eine Tat großen Mitgefühls erreichen. Ich war verantwortlich für den Sturz meines Hauses«, sagte Silwyth. Er senkte die Stimme. »Nicht nur dafür, sondern auch für die Vernichtung einer sehr schönen, sehr edlen Dame. Meine Zeit in dieser Welt nähert sich rasch ihrem Ende. Bevor ich gehe, um meine Strafe im Gefängnis des Todes anzutreten, möchte ich gerne das schreckliche Unrecht wieder gutmachen, das ich im Leben bewirkt habe.«
»Und dazu entschließt Ihr Euch jetzt, am Ende Eures Lebens?«, fragte Damra verächtlich.
»Ich habe viele, lange Jahre auf dieses Ziel hingearbeitet«, entgegnete Silwyth. »Ich habe diesen weiten Weg nur mit einem einzigen Ziel vor Augen zurückgelegt – die Pläne dessen zu vereiteln, der einmal mein Prinz war und der nun Lord der Leere ist. Ein wenig habe ich bereits erreicht, obwohl kaum jemand es bemerken wird. Aber das Wichtigste werde ich nun erreichen – mit Eurer Hilfe, Paladin.«
Damra dachte nach. Sie traute ihm noch nicht, aber sie war bereit, ihn anzuhören. »Wer will mich umbringen?«, fragte sie.
»Diejenige, die Euch heute Abend im ersten
Weitere Kostenlose Bücher