Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Glück hatte sich ins Gegenteil verkehrt. Das geschah nun einmal im Leben, und daher hatten die Götter die Katze mit der Fähigkeit gesegnet, sich in der Luft zu drehen und wieder auf den Füßen zu landen. Nun drehte sich Garwina wie die Katze.
Das Hauptproblem war seiner Ansicht nach der Kadaver dieses seltsamen Geschöpfs der Leere. Alles andere konnte er erklären, selbst die Morde, denn er hatte sich bereits Dokumente verschafft – auf den ersten Blick unschuldig genug, aber man konnte sie hier und da verändern und damit andeuten, dass der Göttliche versucht hatte, den Stein der Könige zu stehlen.
Ohne die Überreste des Vrykyl aus dem Augen zu lassen, ging Garwina zum Schrein, um sich alles näher anzusehen. Er war kein Feigling, aber wie alle Elfen misstraute er der Magie zutiefst. Elfen finden Magie der Leere ganz besonders widerwärtig, denn ihre Benutzung ist eine Beleidigung der Götter, eine Abscheulichkeit sondergleichen. Falls es dem Göttlichen gelingen sollte zu beweisen, dass Garwina sich mit Magiern der Leere zusammengetan hatte, wäre der Schild tatsächlich ruiniert. Man könnte ihn dazu zwingen, den Tod zu verlangen, um die Ehre seines Hauses zu retten.
Aber welchen Beweis hatte der Göttliche schon? Nichts weiter als die Worte von ein paar Soldaten, dass sie ein solches Geschöpf gesehen hatten, denn die Dummköpfe waren davongegangen, ohne den Beweis mitzunehmen. Garwina musste nur diesen Kadaver loswerden, dann würde er behaupten können, dass die Ritter Opfer einer Illusion geworden waren, die der Paladin geschaffen hatte. Garwina witterte eine Möglichkeit, doch noch unbeschadet aus dieser Situation herauszukommen.
Er überquerte die Trittsteine und erreichte die Plattform. Er starrte das schwarze Ding in der Rüstung an, das reglos zu seinen Füßen lag. Er wusste nicht, wo es herkam, und er konnte nur annehmen, dass Lady Godelieve dieses Geschöpf eingesetzt hatte, um den Stein der Könige zu stehlen. Die Tatsache, dass sie ein Bündnis mit der Leere eingegangen war, überraschte ihn nicht sonderlich. Immerhin hatte sie sich auch mit Menschen verbündet. Vom einen zum anderen war es kein großer Sprung.
Sein Magen zog sich zusammen und ihn überlief eine Gänsehaut bei dem Gedanken, das schreckliche Objekt zu berühren, aber er musste die schwarze Rüstung und die Leiche darin wegschaffen, verbrennen, vergraben, irgendwie zerstören. Also wappnete er sich gegen die schreckliche Aufgabe, biss die Zähne zusammen und bückte sich, um den Helm aufzuheben und das Gesicht des Wesens zu betrachten.
Eine Hand in schwarzer Rüstung bewegte sich und packte Garwinas Handgelenk.
Das Herz des Schilds hätte beinahe ausgesetzt. Er konnte nicht atmen, er konnte sich nicht regen. Starr vor Schreck glotzte er nur, als der Vrykyl auf die Beine kam. Das Geschöpf hielt den Schild weiter mit einem so festen Griff am Arm fest, dass der Elf schmerzerfüllt aufkeuchte. Und dann wich der Schmerz unendlichem Staunen, als der Vrykyl verschwand und sich wieder in die Leere auflöste. Neben ihm auf der Plattform stand Lady Godelieve und hielt mit ihrer zarten Hand sein Handgelenk.
Der Schild riss sich von ihr los und wäre beinahe in die Grube gefallen.
»Ihr seid tot! Ihr müsst tot sein! Euer Kopf…«
Er konnte den Satz nicht zu Ende bringen.
»Ihr habt Recht. Ich bin tot. Ich bin schon seit über zweihundert Jahren tot. So weise du bist, Silwyth, du hast einen Fehler gemacht. Du hast mich nicht ins Herz gestochen.«
Sie senkte die Stimme. »Nicht wie er, als er mich zu dem machte, was ich bin…«
»Was seid Ihr?«, wollte der Schild wissen.
Lady Godelieve betrachtete ihn verächtlich. »Eine Kraft, die Ihr niemals verstehen könnt. Eine mächtige Kraft. Eine, die Euch helfen kann.« Sie ging auf ihn zu.
Garwina sah ihre Schönheit, aber auch das schreckliche Gesicht unter der Illusion. Er sah die glatte Haut und das verfaulende Fleisch. Er sah die hohen Wangenknochen und den gebleichten Schädel. Er sah die hübschen Augen und die leeren Augenhöhlen. Er sah, wie sich die gebogenen, sinnlichen Lippen zum Grinsen eines Kadavers teilten. Der Schild war entsetzt und gleichzeitig fasziniert. Sie hatte Recht. Dies war tatsächlich Macht. Gewaltige Macht. Und sie war mit ihm verbündet.
Er legte seine Hand auf die Hand von Lady Godelieve und unterdrückte ein Schaudern.
»Was verlangt Ihr von mir?«, fragte er.
Damra wusste, wo Arim zu finden war. Er würde im Haus des nimoreanischen
Weitere Kostenlose Bücher