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Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter

Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter

Titel: Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Weis
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schaute, hätte er nicht sagen können, welche Soldaten echt waren und welche nicht.
    Ein Soldat, der von einem illusionären Pfeil getroffen wird, glaubt, von einem echten getroffen worden zu sein. Er sieht Blut, er spürt Schmerzen. Er verliert vielleicht das Bewusstsein und fällt um, aber irgendwann begreift er, dass seine Wunde nicht echt ist. Diese Illusionen halten einen Feind vielleicht einen Augenblick lang auf, aber das ist alles. Ein Augenblick.
    Hundert Taan griffen mit einer riesigen Ramme das Tor an. Elfen schossen einen Sturm von Pfeilen auf sie ab. Einige trafen. Die Taan fielen nieder, aber das hielt die Ramme nicht auf. Die Toten blieben liegen, wo sie gefallen waren, und wurden von jenen, die ihnen folgten, niedergetrampelt. Die Ramme traf mit einem Donnerschlag, der den Boden beben ließ, gegen das Eisentor. Das Tor hielt, aber die Angeln gaben nach und wurden aus ihren Befestigungen gerissen. Unter verächtlichem Geheul trugen die Taan ihre Ramme für einen zweiten Versuch ein Stück zurück.
    Das Tor würde fallen. Lyall hatte keine Möglichkeit, das aufzuhalten. Der Feind hatte so viele Soldaten allein für die Ramme wie Lyall in der ganzen Garnison. Er befahl den Elfen, vom Tor zurückzuweichen und sich in die Türme zurückzuziehen. Zumindest konnten sie dort noch eine Weile ausharren.
    Weshalb wir allerdings aushalten, ist die Frage, dachte Lyall. Es wird keine Verstärkung kommen. Die Elfen wichen geordnet zurück und schossen dabei weiter Pfeile ab. Lyall schaute in den Wald hinein. Im Schatten dort wimmelte es von Bewegung – noch mehr von diesen Ungeheuern, die auf das Portal zustürzten. Das Haupttor brach. Unter Triumphgeschrei drangen die Taan ins Torhaus.
    Die Feinde trampelten die Treppe herauf. Lyall hörte ihre rauen Stimmen und roch ihren Gestank. Sein Leibwächter schlug vor, das Tor zu verriegeln und Möbel davor zu schieben, aber das würde die Ungeheuer nicht lange aufhalten. Lyall griff nach seinem Schwert und ging dem Feind entgegen.
    Er war ein Bauer. Er hatte keine Ehre zu verlieren. An diesem Tag hatte er nur Ehre zu gewinnen.

Der Schrecken nahm Jessan den Atem. Sein Magen krampfte sich zusammen, seine Hände waren vollkommen taub geworden. Er wurde von einem Zittern geschüttelt, sein Mund war trocken und seine Zunge fühlte sich an, als wäre sie geschwollen. Der Vrykyl aus seinen Alpträumen kam auf ihn zu, die Hand in der schwarzen Rüstung ausgestreckt.
    »Der Stein«, sagte eine Stimme, die Jessans Innereien zerriss und Splitter von Schmerz durch seinen Körper rasen ließ. »Ich weiß, dass du ihn hast. Ich werde ihn finden, und wenn ich dein Hirn durchsieben muss, bis du es mir verrätst.«
    Jessan hätte ihm die Wahrheit sagen können: dass nicht er den Stein hatte, sondern Bashae. Aber das würde er niemals tun. Angst nagte an seinen Knochen, aber sein Herz konnte sie nicht verschlingen. Seit Generationen hatten die Trevinici die Pecwae beschützt, dieses kleine, sanftmütige Volk, das sich auf die stärkeren Menschen verließ. In diesem Augenblick äußersten Schreckens erkannte Jessan seinen wahren Namen. Er würde vielleicht nie die Gelegenheit haben, diesen Namen laut auszusprechen oder ihn von anderen zu hören. Niemand würde ihn je kennen, niemand außer ihm. Aber zumindest hatte er, bevor er starb, noch seinen Namen erfahren.
    Verteidiger.
    Er packte das Blutmesser, stieß einen Schrei aus und stürzte sich auf seinen Feind. Er griff kaltblütig an. Er glaubte nicht einmal daran, dieses Wesen besiegen zu können. Ein Messer aus Knochen konnte unmöglich eine metallene Rüstung durchdringen. Er hoffte, den Vrykyl dazu verlocken zu können, ihn rasch zu töten, damit er jene, die sich auf seinen Schutz verließen, nicht verraten musste.
    Er erwartete, dass die Klinge brach, als sie den Harnisch des Vrykyl berührte, aber zu seinem maßlosen Staunen spürte er, dass sie durch das schwarze Metall drang. Der Vrykyl zuckte unter Jessans Hand, als hätte die Klinge warmes Fleisch getroffen.
    Shakur verspürte Schmerzen, körperliche Schmerzen. Vor zweihundert Jahren hatte Dagnarus' Hand, die den Dolch der Vrykyl führte, Shakur in den Rücken getroffen. Er hatte Schmerzen gespürt, quälende, brennende Schmerzen, die nicht zu ertragen gewesen waren. Er war froh gewesen, sterben zu können, nur um festzustellen, dass ihm das süße Vergessen des Todes verweigert wurde. Der Schmerz dieses Wissens war noch quälender gewesen, als alles, was ihm der Dolch

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