Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
Wolfram kannte noch mehr Geschichten, aber er fand nicht mehr die Kraft, sie zu erzählen. Ärgerlicherweise war er jetzt müde, und das ließ ihn mürrisch werden, ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem er sich unbedingt weiter darum hätte bemühen müssen, die beiden für sich zu gewinnen. Ihm war aufgefallen, dass Jessan nun deutlicher auf irgendwelche Zeichen in der Landschaft achtete, und er nahm an, dass sie bald den Weg verlassen und über das offene Grasland weiterziehen würden.
Nach etwa einer Stunde blieb Jessan neben einer Gruppe von Steinen stehen, die am Wegrand aufgehäuft waren. Der Weg führte nach Osten und Westen. Jessan spähte nach Norden. Er überließ das Sprechen dem Pecwae.
»Wir biegen hier ab«, verkündete Bashae. »Danke für deine Geschichten und dass du mir bei dem Handel mit diesem Elf geholfen hast.«
Jessan murmelte etwas, das Wolfram nicht verstand.
»Ich wünsche dir eine gute Reise«, fügte Bashae höflich hinzu.
Wolfram spürte ein kleines, warmes Zucken vom Armreif, aber das war nicht einmal notwendig. Er wusste genau, dass er bei diesen beiden bleiben musste, wenn er sich auch immer noch nicht den Grund dafür vorstellen konnte.
»Danke«, erwiderte er gleichermaßen höflich. »Ich werde sehr gerne mit euch Weiterreisen. Ich hoffe, mit deiner Großmutter sprechen zu können«, fügte er an den Pecwae gewandt hinzu. »Sie scheint eine Frau von gewaltiger Weisheit zu sein.«
Bashae warf Jessan einen Blick zu, der seinerseits den Kopf schüttelte. Er schaute den Zwerg nicht einmal an, sondern starrte weiter nach Norden.
»Nein«, sagte er.
Wolfram hätte ihnen auch am nächsten Tag folgen können, aber es würde nötig sein, dass die Trevinici ihn akzeptierten, und er wollte nicht damit beginnen, sich an ihr Lager anzuschleichen wie ein Dieb. Er dachte darüber nach, wie er seinen Wunsch besser begründen könnte, als der Pecwae unerwarteterweise begann, sich für ihn einzusetzen.
»Nehmen wir ihn doch mit«, sagte Bashae in Trevini.
Jessan schüttelte den Kopf.
»Niemand in unserem Dorf hat je einen Zwerg gesehen«, meinte Bashae. »Nicht einmal dein Onkel Rabenschwinge. Denk doch, was für eine Sensation es sein wird, wenn wir Wolfram mitbringen! Und er wird unser Zwerg sein. Niemand sonst kann Anspruch auf ihn erheben. Bärentatze wird krank vor Neid, denn was sind schon all seine jämmerlichen verschrumpelten alten Köpfe verglichen mit einem echten, lebendigen Zwerg.«
Jessan schien darüber nachzudenken.
»Besonders, was Heller Morgen angeht«, flocht Bashae klugerweise ein. »Sie hat noch nie einen Zwerg gesehen, aber jede Menge alte Schrumpfköpfe.«
Wolfram stand da und tat so, als verstünde er kein Wort von diesem Gespräch. Er hätte wahrscheinlich beleidigt sein sollen, dass man ihn wie eine Kuriosität auf dem Jahrmarkt einschätzte, aber wenn das dafür sorgte, dass die beiden jungen Männer ihn schließlich doch mitnahmen, würde er mitspielen und eine gute Vorstellung geben.
»Du hast doch keine Angst vor ihm, oder?«, fragte Bashae und tat ganz unschuldig.
»Selbstverständlich nicht«, entgegnete Jessan mit einem verächtlichen Blick auf den Zwerg.
»Dann lass ihn doch mitkommen. Bitte«, flehte Bashae.
Der Pecwae hatte das alles sehr klug eingefädelt. Wenn Jessan sich jetzt weigerte, würde man ihn später und für alle Zeit bezichtigen, Angst vor Zwergen zu haben. Jessan schien zu begreifen, dass man ihn ausmanövriert hatte, aber er wusste nicht, wie er entkommen sollte. Wolfram hatte inzwischen eine erheblich bessere Vorstellung was die Beziehung zwischen dem Pecwae und dem Trevinici anbetraf. Jemand, der daran gewöhnt war, immer geradeaus zu gehen, würde irgendwann über einen anderen stolpern, der in Kreisen um ihn herumtanzte.
»Der Zwerg kann mitkommen«, erklärte Jessan alles andere als freundlich.
»Du kannst mitkommen«, sagte Bashae aufgeregt zu Wolfram. »Wir haben darüber gesprochen, mein Freund und ich. Ich habe ihm gesagt, meine Großmutter wäre sehr daran interessiert, mit dir zu sprechen, und er ist ganz meiner Ansicht.«
Wolfram machte die angemessen höflichen Bemerkungen und dankte den beiden jungen Männern dafür, dass sie ihm weiterhin die Freude ihrer Gesellschaft vergönnten, nicht zu reden von der hohen Ehre, ihn mit in ihr Dorf zu nehmen. Jessan trat den Steinhaufen um, verstreute die Steine, und die drei zogen weiter. Wolfram fragte sich, wie weit sie wohl noch gehen mussten, wollte sich damit aber
Weitere Kostenlose Bücher