Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
weiß, was es ist. Haltet euch fern.«
»Was ist es denn?«, fragte Bashae und starrte das Licht an.
Jessan war immer noch wütend, aber er blieb, wo er war, etwa bis zur Mitte der Schienbeine im Wasser. Er war instinktiv vorsichtig und misstrauisch und würde zumindest warten, bis Wolfram erklärt hatte, was er meinte.
»Es ist ein Portal«, erklärte Wolfram. »Eines von diesen magischen Portalen.« Er wies mit dem Daumen darauf. »Wenn ihr hinein geht, weiß niemand, wo ihr herauskommen werdet. Vielleicht an einem angenehmen Ort und vielleicht inmitten eines elfischen Kriegslagers, wo sie euch aufspießen, bevor ihr auch nur Pah! sagen könnt, oder vielleicht mitten in einem Tümpel kochend heißen Schlamms. Ihr wisst, was ein Portal ist, oder?«, fügte Wolfram hinzu.
»Mein Onkel spricht manchmal von ihnen«, erwiderte Jessan kühl. »Er sagt, es gibt keine in Dunkarga. Das nächstgelegene Portal ist in Karnu.«
Für ihn war die Angelegenheit damit erledigt. Onkel Rabenschnabel oder wie immer sein Name lautete hatte gesagt, es gäbe keine Portale in Dunkarga, und daher gab es auch keine.
»Das nächste
bekannte
Portal«, sagte Wolfram betont. »Es gibt viele unbekannte Portale – Portale, die entstanden, als die vier großen Portale in Alt-Vinnengael bei der Explosion zerstört wurden, die die große Stadt dem Erdboden gleich machte. Das hier ist wahrscheinlich eines von ihnen.« Er watete ans Ufer zurück und zog Bashae mit sich.
Jessan runzelte die Stirn. Er war im Wasser stehen geblieben. »Wenn das stimmt und das hier ein magisches Portale ist, warum hat es bisher keiner entdeckt?«
»Ich weiß es!«, rief Bashae. Am Ufer angekommen, schüttelte er sich wie ein Hund. »Weil hier nie jemand nachts herkommt. Am Tag kann man das Licht wahrscheinlich nicht sehen.«
Das entsprach der Wahrheit. Der See lag weit vom Weg entfernt. Reisende würden nicht einmal wissen, dass er existierte. Und selbst wenn jemand darüber stolpern sollte, würde das unheimliche Schimmern des Portals bei Tageslicht, wenn Sonnenstrahlen über das Wasser tanzten, nicht zu erkennen sein. Selbst nachts würde so mancher flüchtige Beobachter es für Mondlicht halten, wie Wolfram es selbst getan hatte.
»Kommt weg hier, Jungs«, sagte er, hielt Bashae weiter fest an der Hand und zog ihn sanft zum Ufer hin.
Jessan blieb im Wasser stehen und starrte weiter das helle Licht an. »Wohin es einen wohl bringt?«, fragte er.
»Wer weiß das schon? Vielleicht wissen es nicht einmal die Götter«, antwortete Wolfram und fragte sich, was im Namen der Götter er tun würde, wenn der junge Mann nachsah.
Diese jungen Leute waren nicht seine Schutzbefohlenen, er war nicht verantwortlich für sie. Wenn sie in ein Portal verschwanden, war das ihre Angelegenheit. Er wusste, wie er zum Hauptweg zurückfinden würde. Er hatte offensichtlich gefunden, was die Mönche wissen wollten. Er musste nur noch den Ort beschreiben und seinen Bericht abgeben. Dennoch hielt er den Pecwae weiter fest.
»Vielleicht führt es zum Boden des Sees«, sagte er. »Vielleicht zur anderen Seite der Welt. Vielleicht zu den Göttern selbst. Wenn du vorher nie in einem Portal gewesen bist, kann das ein sehr beunruhigendes Erlebnis sein. Es ist wie in einer Höhle. Man verliert jedes Gefühl dafür, was oben und unten, Norden oder Süden ist.« Dann hatte er eine Idee. »Erzähl deinen Leuten davon. Schick eine Gruppe von Kriegern – «
Das Portal flackerte, und das Licht wurde plötzlich intensiver und heller. Leise Geräusche erklangen. Es hätte Hufschlag sein können oder vielleicht auch das Klopfen eines Herzens.
Wolfram zuckte zusammen und versuchte, Bashae noch weiter weg zu ziehen. Zum Glück hatte der Pecwae einen hoch entwickelten Selbsterhaltungstrieb.
»Jessan, geh da weg!«, drängte Bashae.
Die Hufschläge wurden lauter. Jessan, erschrocken und nervös, wich zum Ufer zurück, obwohl er weiter das Licht anstarrte.
Pferd und Reiter sprangen aus dem Portal, und weißes, schäumendes Wasser wirbelte um sie herum. Die Nüstern des Pferdes zuckten. Das Tier war in vollem Galopp. Es schüttelte sich Wasser von Mähne und Kopf und versuchte verzweifelt, mit den Vorderhufen Halt auf dem Grund des Sees zu finden. Der Reiter war ein Ritter, dessen Silberrüstung hell im Licht des Portals schimmerte. Offensichtlich war er ein guter Reiter, denn er beugte sich jetzt tief über den Hals des Pferdes und drängte das Tier weiter.
Das Pferd hatte endlich Boden unter
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