Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
ein Krieger haben konnte. Er vergaß auch nicht, den Verdienst des Zwergs hervorzuheben, der mit seiner Nachahmung der Fliegen die entscheidende Wendung herbeigeführt hatte.
Die Dorfbewohner belohnten Jessan mit einem Nicken und empfanden nun deutlich mehr Anerkennung für den Zwerg. Als Jessan beschrieb, wie der Ritter sein Schwert trotz der Rüstung direkt in die Brust des Feindes gestoßen hatte, brachen mehrere Krieger in Triumphgeschrei aus, während die anderen begannen, für sein Überleben zu beten.
»Er wird nicht überleben«, erklärte Ranessa mit lauter, kalter, barscher Stimme. »Sein Tod steht kurz bevor. Und was das Ding angeht, das er getötet hat – es war schon tot, als er es tötete. Und jetzt ist es genauso.«
Dann drehte sie sich so schnell um, dass ihr schwarzes Haar durch die Luft peitschte, warf ihnen einen feindseligen, verächtlichen Blick zu und stolzierte davon. Nachdem sie verschwunden war, seufzten alle vor Erleichterung. Ranessas Anwesenheit hing stets wie eine finstere Wolke über ihnen, und die Sonne schien erst dann wieder heller zu werden, wenn sie weg war. Jessan warf seinem Onkel einen Blick zu, aber Rabe schüttelte nur den Kopf und zuckte die Achseln.
»Was hast du da in die Decke gewickelt?«, fragte der Krieger, um sich von ihrer verrückten Verwandten abzulenken.
Jessan hatte vorgehabt, seinen Schatz ganz stolz zu enthüllen, aber Ranessas seltsame Erklärung erinnerte ihn wieder an die Warnungen des Ritters. Der junge Mann musste zugeben, dass ihn das Fehlen einer Leiche in der Rüstung – so praktisch es auch gewesen sein mochte – ein wenig verstört hatte.
»Es ist ein Geschenk«, erklärte Jessan. »Für meinen Onkel.«
Niemand sprach mehr darüber. Geschenke waren persönliche Angelegenheiten. Man prahlte nicht vor anderen mit seinem Glück, denn so etwas hätte Eifersucht und Uneinigkeit ins Dorf bringen können.
Die Ältesten erklärten, wie froh es sie stimmte, dass Jessan und Bashae sicher zurückgekehrt waren, machten noch einige lobende Bemerkungen über ihren Mut und gingen dann zum Haus der Heilung, um sich nach dem verwundeten Ritter zu erkundigen. Der Rest der Dorfbewohner fügte gute Wünsche hinzu, dann machten sie sich wieder an ihre Arbeit.
»Kommt zu meinem Haus, Jessan«, sagte sein Onkel. »Bring dein Bündel mit. Das ist ein Geschenk für mich?«
»Ja, Onkel«, bestätigte Jessan, und sie gingen zusammen durchs Dorf.
»Aus Wildenstadt?« Rabe runzelte die Stirn. »Du hast doch nicht verschwendet, was du verdient hast?«
»Nein, Onkel. Ich habe die Felle gegen Pfeilspitzen eingetauscht. Sie sind von guter Qualität. Ich habe sie mir ganz genau angeschaut, wie du es mir beigebracht hast. Ich habe sie hier.« Jessan tätschelte den Beutel, den er am Gürtel hängen hatte. »Das Geschenk, das ich dir mitgebracht habe, ist vom Schlachtfeld. Die Rüstung des Feindes des Ritters.«
»Diese Rüstung gehört rechtmäßig dem Ritter«, erklärte Rabe.
»Er will sie nicht haben«, erwiderte Jessan und zuckte die Schultern. »Er sagte, wir sollten sie vergraben oder ins Wasser werfen. Aber du wirst sehen, Onkel, diese Rüstung ist sehr wertvoll und sollte nicht verschwendet werden. Ich denke, der arme Mann war schon im Delirium«, fügte er vertraulich hinzu.
»Das ist möglich«, gab Rabe zu. »Ich bin wirklich neugierig auf diese wunderbare Rüstung. Hast du deiner Tante auch etwas mitgebracht?«
Jessan zögerte. Der einzige andere Gegenstand, den er ihr hätte geben können, war das Messer, das er von der Leiche des schwarz gerüsteten Ritters hatte. Dieses Messer war seltsam, denn es bestand aus poliertem Knochen, nicht aus Metall. Die Knochenklinge war scharf, aber so dünn und zerbrechlich, dass Jessan sich fragte, wie der tote Ritter sie benutzt haben konnte. Griff und Klinge waren eins, hergestellt aus dem Knochen irgend eines Tiers. Das Messer war offensichtlich schon alt, denn der Knochen war vergilbt und glatt geschliffen. Jessan hätte dieses ungewöhnliche Messer gern behalten und es als Schlachtentrophäe betrachtet. Er würde es hoch schätzen und ihm Ehre erweisen. Seine Tante würde damit vermutlich Fische ausnehmen.
»Nein, ich habe ihr nichts mitgebracht. Warum sollte ich das tun, Onkel?«, fragte Jessan. »Sie hasst mich. Sie hasst jeden.
Wenn Bashae und ich da draußen gestorben wären, wäre es ihr gleich gewesen. Sie ist eine Schande für die Familie, Onkel. Du weißt nicht, was hier passiert, wenn du weg bist. Sie sagt
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