Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
ein Herz, daran bestand kein Zweifel. Was den Rest anging, so würde er nun auf die Götter vertrauen, denn sonst wäre alles, was er in diesen letzten Jahren seines Lebens gesagt und getan hatte, nur Heuchelei gewesen.
»Die Götter haben eine gute Wahl getroffen«, sagte er leise.
»Ja, so ist es«, fügte die Großmutter hinzu, obwohl sie die Augen ein wenig zusammenkniff, weil sie die jungen Männer wieder anschaute. Sie hatte den Seufzer des Ritters gehört und wusste, was er dachte. Sie klopfte sich auf die Knie und winkte die beiden zu sich. Armreife klirrten und klimperten an ihren dünnen Armen.
»Kommt her, ihr beiden. Setzt euch hierher.« Sie zeigte auf eine Stelle vor sich. »Hört genau zu.«
Bashae tat, was man ihm gesagt hatte und bewegte sich rasch, während Jessan ein wenig zurückblieb. »Das würde ich ja gerne tun, Großmutter«, sagte er, »aber ich werde morgen mit Onkel Rabe nach Dunkar gehen, und ich habe noch viel zu tun. Ich bin nur – «
»Du hast mehr Zeit als die meisten«, meinte die Großmutter bissig. »Es wird genügen, um eine alte Frau anzuhören. Setz dich hin, Jessan.«
Der junge Mann war dazu erzogen worden, die Ältesten zu ehren, und er musste gehorchen. Er setzte sich allerdings nicht hin, sondern hockte sich auf die Hacken, bereit, jeden Augenblick aufzuspringen.
»Ritter Gustav möchte euch um etwas bitten«, sagte die Großmutter. »Dies wird vermutlich seine letzte Bitte sein«, fügte sie streng in Twithil, der Sprache der Pecwae, hinzu. »Er wird den nächsten Sonnenaufgang nicht mehr erleben.«
Jessans Haltung wurde respektvoller. Bashae rutschte näher zu dem sterbenden Ritter hin. Feierlich und mit großen Augen legte er seine kleine, kräftige, sonnengebräunte Hand auf Gustavs bleiche, ausgemergelte Hand.
»Wir sind bereit zu tun, was Ihr wünscht, Ritter Gustav«, sagte Bashae sanft. »Was verlangt Ihr von uns?«
Jessan saß schweigend da, aber er zeigte mit einem knappen Nicken, dass auch er lauschte.
Gustav lächelte. »Ich danke Euch. Ich weiß, dass ich im Sterben liege. Trauert nicht um mich. Ich hatte ein gutes, langes Leben. Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte. Die Götter haben mich gesegnet, und selbst jetzt, kurz vor meinem Tod, segnen sie mich abermals.«
Er atmete schaudernd durch die Nase ein und kniff dabei die Lippen zusammen, um nicht vor Schmerz aufschreien zu müssen. Die Großmutter wischte ihm den kalten Schweiß von der Stirn. Als der Schmerz ein wenig nachgelassen hatte, sprach er weiter.
»Ich traure nicht um mich selbst, aber es gibt da eine Person, die um mich trauern wird.«
»Eure Gemahlin?«, fragte Bashae leise.
Gustav lächelte wieder, als ihm das Bild Adelas vor Augen trat. Dieses Bild erleichterte ihm die Schmerzen. Sie wartete auf ihn, wurde immer wirklicher, je näher er ihr kam. Er würde so froh sein, zu ihr gehen, seine Bürde aufgeben, diese Schmerzen loswerden zu können. Aber noch nicht… noch nicht… und diese jungen Leute würden es nicht begreifen. Wie konnte er seine Beziehung zu Damra beschreiben? Auch sie war ein Paladin, und sie waren seit vielen Jahren Freunde, obwohl sie dem Alter nach so verschieden war. Damra war den Jahren nach älter, aber nach elfischen Maßstäben jung. Er war älter, was Weisheit und Erfahrung anging. Sie hatten einander in Neu-Vinnengael bei einer Sitzung des Rats der Paladine kennen gelernt. Damra hatte sich für Gustavs Suche interessiert, für den Stein der Könige. Sie hatte den Ritter eingeladen, sie im Elfenland zu besuchen.
Ein Bild von Damras schlichtem Haus – schön in seiner Einfachheit, wie alle elfischen Häuser –, das an einem Berghang stand, kam ihm vor Augen. In diesem Haus hatte er in jenen schrecklichen Tagen nach Adelas Tod Zuflucht gesucht. Dort hatte Gustav mit Damras Hilfe die Willenskraft gefunden, weiterzuleben.
»Ja«, sagte Gustav und verließ sich darauf, dass sowohl Adela als auch die Götter ihm diese Lüge verzeihen würden. »Sie ist meine Liebste.«
»Sie muss sehr alt sein«, sagte Bashae.
»Ja, sie ist alt. Älter als ich. Aber immer noch stark und schön.«
Bashae nickte höflich. Jessan ging wahrscheinlich davon aus, dass der alte Mann fieberte. Der Trevinici rutschte unruhig hin und her, weil er endlich zu seinen eigenen Angelegenheiten kommen wollte.
»Sie ist eine Elfenfrau«, fügte Gustav hinzu, und das brachte ihm hochgezogene Augenbrauen und verblüffte Blicke ein, selbst von Jessan. »Elfen leben länger als
Weitere Kostenlose Bücher