Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
werde mich überhaupt nicht mehr bewegen können, und dann werden sie mich herumtragen müssen wie ein Kind. Ich habe Wasser bereitgestellt, falls du Durst bekommst.«
»Ich danke Euch, Großmutter«, sagte Gustav. »Ihr seid eine weise Dame, eine sehr weise und edle Dame.«
»Ich! Eine edle Dame? Ha! Ein guter Witz!« Die Großmutter kicherte leise. An der Tür blieb sie noch einmal stehen und drehte sich um. »Ich werde den Zwerg schicken. Du willst sicher auch mit ihm sprechen.« Sie knickste und machte dabei einen recht beweglichen Eindruck, dann ging sie nach draußen.
Gustav würde ihre Fähigkeit, seine Gedanken besser zu kennen als ihre eigenen, nicht mehr in Frage stellen. Er würde diese Welt verlassen und kam dem Reich der Geister immer näher. Was er noch vor einem Monat lachend in Frage gestellt hätte, kam ihm inzwischen vollkommen glaubwürdig vor.
Er biss die Zähne zusammen gegen die Schmerzen, die ihm Tränen in die Augen trieben, sagte leise »Adela!«, und öffnete den Rucksack.
Gustav erwachte aus einem Traum suchender Augen und fand sich zwei wirklichen Augenpaaren gegenüber, die ihn fragend anstarrten. Der Zwerg war anwesend, ebenso wie ein Trevinici-Krieger.
Er schob die Hand unter seine Bettdecke und überzeugte sich davon, dass der Stein der Könige in Sicherheit und gut verborgen war.
»Wasser, bitte«, keuchte er.
Wolfram beeilte sich, die Wasserschale an die Lippen des Ritters zu heben. Aber Gustav konnte nicht trinken. Er schüttelte den Kopf. Der Zwerg sah ihn besorgt an, ließ ein wenig Wasser über die Kehle des Ritters rinnen und betupfte seine trockenen Lippen.
»Danke«, sagte Gustav, der jetzt leichter atmen konnte. Er wandte sich dem Krieger zu, der nahe dem Eingang stand und sich nicht einmischen wollte, ehe man ihn begrüßt hatte. »Ihr seid Jessans Onkel?«
Rabe nickte respektvoll und kam näher.
»Ihr wisst, worum ich Jessan gebeten habe?«, fragte Gustav.
»Ja, die Großmutter hat es mir erzählt«, erwiderte Rabe. Er hockte sich neben den Ritter. »Sie sagte mir auch, wie Jessan reagiert hat. Er wollte nicht respektlos sein. Aber ich möchte mich trotzdem für ihn entschuldigen.«
Rabe hielt inne, offensichtlich um seine weiteren Worte zu bedenken. »Zu jeder anderen Zeit hätte ich die Entscheidung der Götter nicht verstanden. Ich hätte gesagt, sie müssten sich geirrt haben. Aber jetzt werde ich nur einwenden, dass ich wegen Jessans Jugend und Unerfahrenheit Bedenken habe, nicht wegen seines Muts und seiner Ehrlichkeit. Nur – «, Rabe war eindeutig unsicher und schaute immer wieder Wolfram an – »etwas Unerwartetes ist geschehen. Etwas, was ich nicht verstehe und worüber ich nichts weiß. Also nehme ich an, dass die Götter schließlich doch wissen, was sie tun.«
»Was ist geschehen?« Gustav schaute von dem Zwerg mit der säuerlichen Miene zu dem finster dreinschauenden Krieger.
»Sag du es ihm«, erklärte Rabe, zog sich in den Schatten zurück, behielt aber weiterhin Gustav im Auge und beobachtete jede Einzelheit.
»Es war so, Herr«, sagte Wolfram und rutschte näher. »Ihr erinnert Euch doch an die verfluchte Rüstung dieses Ungeheuers aus der Leere?«
»Ja, warum, was ist damit? Sie wurde doch zerstört, oder?«
Wolfram schüttelte kläglich den Kopf. »Es ist nicht meine Schuld, Herr. Aber der junge Mann war entschlossen, sie zu behalten. Er hat sie als Geschenk für seinen Onkel mit ins Dorf gebracht.« Er wies mit dem Daumen auf Rabe.
»Ihr Götter!« Gustav versuchte, sich aufzusetzen, aber er war zu schwach. »Ein schrecklicher Fehler. Die Rüstung muss zerstört werden. Unbedingt!«
»Ja, Herr«, sagte Wolfram trocken. »Darüber sind wir uns alle einig. Die Frage ist nur – wie?« Er senkte die Stimme, beugte sich über den Ritter und flüsterte »Die Rüstung hat angefangen zu bluten, Herr! Sie blutet, oder es läuft irgendetwas heraus. Flüssigkeit, pechschwarz und zäh wie Lampenöl. Und tödlich.«
»Wir haben die Kadaver von Mäusen gefunden, die sich näher herangewagt haben«, erklärte Rabe ernst. »Vielleicht haben sie das Zeug aufgeleckt, vielleicht sind sie einfach hineingetreten. Was immer sie getan haben, sie sind tot.«
»Und das bedeutet, Herr«, fuhr Wolfram fort, »dass wir die Rüstung weder verbrennen noch in den Fluss werfen noch vergraben können. Nicht, wenn wir verhindern wollen, dass überall tödliches Gift ausströmt. Was sollen wir also tun?«
»Ihr müsst sie aus diesem Dorf wegbringen«, sagte
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