Der Stein der Könige 2 - Der junge Ritter
stieg in den Sattel und galoppierte die Straße entlang. Überall sprangen die Leute in die Gosse oder in Seitenstraßen, um den Hufen seines Pferdes zu entgehen.
Während Rabe versuchte, aus der Stadt zu fliehen, ließ man den Herold des Feindes durch eine kleine Pforte im Haupttor ein. Der Herold war ein Mensch und keines der seltsamen Ungeheuer – sehr zur Enttäuschung der Bürger, die Gerüchte über diese Geschöpfe gehört hatten und nun endlich selbst eins sehen wollten.
Furchtlos und stolz ritt der Herold mit stiller Würde durch eine Masse zorniger Dunkarganer, die gekommen waren, um ihn zu verfluchen. Er hatte dichtes blondes Haar und ein bartloses Kinn. Er sah aus wie sechzehn, hatte aber bereits eine Kampfnarbe im Gesicht, und er ritt sein Pferd und hielt sein Schwert wie ein Mann, der an Krieg gewöhnt ist. Er trug einen Waffenrock aus kostbarem Material mit dem Bild eines Phönix, der aus den Flammen aufsteigt, und auf seinem Schild prangte dasselbe Zeichen. Niemand konnte sich daran erinnern, je ein solches Wappen gesehen zu haben.
Der Herold erhielt eine Wache aus der handverlesenen Leibwache des Seraskiers, denn die Dunkarganer waren ein aufbrausendes Volk, und zweifellos glaubte jeder einzelne von ihnen, dass die verhassten Karnuaner diese Armee angeheuert hatten. Viele verlangten schreiend, dass der Bote geköpft werden und man seine Leiche nach Karnu schicken sollte. Die Männer des Seraskiers hatten die Schwerter gezückt und schlugen mit der flachen Seite nach Bürgern, die zu nah kamen. Der Herold betrachtete sie alle mit einem schiefen Grinsen und hob den Schild, um das Gemüse abzuwehren, das sie nach ihm warfen.
Als er im Palast eintraf, brachte man ihn direkt zum König. Moross saß in großem Staat auf seinem Thron, umgeben von seinen Ministern und Angehörigen des Adels. Mit Ausnahme des Seraskiers erwarteten sie allesamt, dass der Herold verkünden würde, er käme aus Karnu. Moross hatte seine Antwort schon vorbereitet, den Trotz, den er dem karnuanischen König, der tatsächlich ein entfernter Vetter von ihm war, entgegenschleudern wollte.
Der Herold betrat den Thronsaal mit dem gleichen schiefen Grinsen, mit dem er schon durch die Stadt geritten war. Man hatte ihm sein Schwert, den Schild und das Messer abgenommen. König Moross starrte das Phönixwappen auf dem Waffenrock an und warf seinen Ministern einen Blick zu, die ihrerseits die Schultern zuckten. Das hier war kein Wappen aus Karnu, zumindest keins, das jemand erkannt hätte.
Während er sich näherte, verbeugte sich der Herold flüchtig.
Mit großer Geste holte er eine Schriftrolle hervor und rollte sie auf, um sie vorzulesen.
Von Prinz Dagnarus, Sohn des König Tamaros von Vinnengael an seine Hoheit und so weiter und so fort, Moross König von Dunkarga.
Ich, Prinz Dagnarus, ein Sohn dieses Landes, bin bedrückt über den Kriegszustand, der zwischen denen herrscht, die einander bei der Hand nehmen und als Brüder behandeln sollten. Dieser Bürgerkrieg hat eine einstmals große Nation in den Ruin getrieben und aus Dunkarga, einem einstmals stolzen wohlhabenden Land, einen schäbigen Bettler auf den Straßen der Welt werden lassen. Ich, Prinz Dagnarus, schlage vor, diesen verheerenden Krieg zu beenden und Dunkarga abermals zu einer Stärke und einem Wohlstand zu erheben, die den Neid und die Angst von ganz Loerem erregen werden.
Das Folgende sind meine Bedingungen: Meine Truppen und ich werden sofort in die Stadt eingelassen. Ich werde zum Seraskier ernannt und erhalte das Kommando über alle Truppen Dunkargas und die Kriegsflotte. Der derzeitige König, mein Vetter, wird weiterregieren. Ich werde in allen wichtigen Entscheidungen befragt. Im Gegenzug bleibt der Stadt Dunkar der Krieg erspart. Bürger, die mich unterstützen, werden es nicht bereuen. Jene, die sich mir entgegenstellen, werden eine Chance erhalten, zu einer besseren Ansicht über mich zu kommen. Wenn diese Bedingungen nicht akzeptiert werden, werden meine Armeen im Morgengrauen angreifen. In diesem Fall können Stadt und Bevölkerung keine Gnade erwarten.
König Moross lauschte staunend. Dagnarus. Wer war dieser Dagnarus? Er konnte sich an keinen Dagnarus erinnern, der irgend einen Anspruch auf Dunkarga hätte erheben können. Und dennoch war an dem Namen etwas Vertrautes… er warf seinen Ministern, die beleidigt und zornig, aber auch verängstigt dreinschauten, einen weiteren Blick zu. Seraskier Onaset hatte eine grimmige Miene aufgesetzt.
Der
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