Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
gegen den Dolch gewehrt hatte. Ihre Fingerknöchel waren aufgerissen und bluteten.
Rabe bedauerte in diesem Augenblick, dass er sich nicht entschlossen hatte zu kämpfen. Er umarmte sie fest.
»Verzeih mir, Rabe«, murmelte sie mit blutenden Lippen. Sie spuckte einen Zahn aus.
»Es ist nicht deine Schuld.«
»Doch, das ist es. Ich hätte einfach zulassen sollen, dass er mich tötet. Ich bin nur eine Last für dich.« Sie ließ den Kopf hängen. »Wenn ich tot wäre, könntest du ehrenvoll leben. Jetzt werden sie uns beide jagen. Ich habe deinen Tod bewirkt. Ich bin feige.«
»Das bist du nicht«, widersprach Rabe. »Erinnerst du dich an das Wort, das ich dir beigebracht habe – Hoffnung? Solange wir am Leben sind, haben wir Hoffnung, dass es besser wird.«
Er küsste sie nur sanft, um ihr nicht wehzutun. »Wenn du tot gewesen wärst, hätte ich mich ebenfalls von ihnen umbringen lassen. Ich möchte nicht ohne dich leben.«
Dur-zor blickte, so gut sie das mit ihren zuschwellenden Augen konnte, zu ihm auf. »Stimmt das, Rabe?«
»Ja, Dur-zor«, sagte er. »Du bist meine Gefährtin. Solange ich lebe, werde ich keine andere haben. Ich liebe dich.«
Dur-zor hasste sich für diese Frage, aber sie konnte nicht anders. »Liebst du mich so, wie du eine Menschenfrau lieben würdest, Rabe? Eine Menschenfrau wie meine Mutter?«
»Ich liebe dich, weil du du bist, Dur-zor«, antwortete er.
»Ich liebe dich, Rabe«, sagte Dur-zor. »Aber das wusstest du ja schon. Leider«, fügte sie mit dem Pragmatismus der Taan hinzu, »hilft Liebe uns nicht sonderlich weiter. Wenn ich zum Stamm zurückkehre, wird Dag-ruk mich umbringen …«
»Und wenn ich zurückkehre, wird R'lt mich töten«, ergänzte Rabe.
»Wir können weglaufen…« Aber bei diesen Worten war ihr schon deutlich der Zweifel anzuhören.
Beide schauten auf die trostlose, unfruchtbare Landschaft hinaus. Ein Mensch und eine Halbtaan, ohne Zuflucht, ohne eine Vorstellung davon, wo sie eigentlich waren, würden entweder Opfer der Elemente oder von Menschen oder Taan getötet werden. Die Idee, die Rabe seit Tagen beschäftigte, drängte sich nun in den Vordergrund.
»Ich bitte dich ungern, nachdem du so schwer verwundet wurdest, aber wir müssen uns eilen. Wir müssen vor den anderen bei K'let sein.«
»K'let?«, wiederholte Dur-zor ängstlich. »Willst du direkt auf den Tod zueilen, Rabe?«
»Nein, auf das Leben. Jeder Taan hier scheint zu glauben, dass ich einen gewissen Einfluss auf den Vrykyl habe«, sagte Rabe grimmig. »Also werden wir sehen, ob das stimmt.«
Rabe vermied es sorgfältig, in die Nähe seines eigenen Lagers zu kommen, denn er fürchtete, Dag-ruk würde ihn herausfordern. Er bewegte sich rasch, und es gelang Dur-zor, mit ihm Schritt zu halten, obwohl ihr gebrochenes Handgelenk wehtat und sie durch ihre geschwollenen Augen kaum etwas sehen konnte. Rabe machte sich Sorgen um sie, aber er hatte nicht die Zeit, sich um sie zu kümmern – nicht dass sie das erwartet hätte. Rabe glaubte nicht, dass Dag-ruk zu K'let gehen würde, um sich zu beschweren, aber er konnte nicht vollkommen sicher sein. Und er hatte keine Ahnung, was K'let tun würde.
Als er in K'lets Lager eintraf, sah Rabe, dass die Stämme in Aufruhr waren. Die Taan schrien herum, gestikulierten wild und fuchtelten mit ihren Waffen herum. Schamanen hockten beieinander und unterhielten sich leise, während ihre Schüler in der Nähe verharrten und auf Befehle warteten. Arbeiter waren hastig damit beschäftigt, den Abbruch des Lagers vorzubereiten.
»Was ist hier los?«, fragte Dur-zor und sah sich um.
Taan sind Nomaden, und das Lager abzubrechen war an sich nichts Ungewöhnliches, aber man hatte Rabe gesagt, K'let wolle hier ein paar Tage bleiben und auf einen anderen Stamm warten. Er erinnerte sich wieder an K'lets schauerlichen Schrei. Jetzt war sicher nicht der geeignete Zeitpunkt, ihn um einen Gefallen zu bitten. Aber er musste es tun.
Er eilte auf K'lets Zelt zu und zerrte Dur-zor mit sich. Er ging zu den Wachen, salutierte und erklärte, er habe eine dringende Botschaft für K'let.
Er rechnete damit, dass sich die allgemeine Aufregung im Lager zumindest in dieser Hinsicht günstig für ihn auswirken würde, und damit hatte er Recht. Die Wachen kannten Rabe. Sie ließen ihn durch, damit er mit dem Vrykyl sprechen konnte. Als er ins Zelt trat, befand sich K'let in einer Besprechung mit all seinen Nizam, darunter auch Dag-ruk.
Sie warf einen einzigen Blick auf ihn, einen auf
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