Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
deutliche Spur. Die Taan hatten sich keine Mühe gegeben, sie zu verbergen. Wer auch immer Dur-zor entführt hatte, achtete nicht weiter darauf, ob er irgendwelche Verfolger abschütteln würden oder nicht. Sie verließen sich darauf, dass Rabe noch im Dienst bei K'let war.
Entweder das, dachte Rabe plötzlich, oder es ist ein Hinterhalt.
»Deshalb war R'lt plötzlich so hilfreich«, sagte er zu sich selbst. »Er will selbst Dag-ruks Gefährte werden. Jeder im Stamm weiß das. So wird er einen Rivalen los.«
Nun, dieser Tag war ebenso geeignet zum Sterben wie jeder andere.
Er lief weiter und warf nur noch hier und da einen Blick auf die Spur. Er hatte etwa eine Meile zurückgelegt, als er zu einer kleinen Anhöhe kam. Die Landschaft bestand aus kleinen Hügeln und Tälern – ein idealer Ort für einen Hinterhalt. Sein Kriegerinstinkt sagte ihm, dass er seinem Ziel nahe war, und er wurde langsamer, als er den nächsten Hügel hinaufrannte. Er hatte beinahe die Kuppe erreicht, als er Dur-zor schreien hörte.
Es war kein Angstschrei. Ihr Schrei war der einer Kriegerin, und er kam von direkt hinter der Kuppe. Rabe rannte den Hügel hinauf, das Tum-olt in der Hand. Als er über die Kuppe kam, sah er einen Taankrieger und Dur-zor im Kampf. Früher einmal hätte sie ihren Tod einfach hingenommen, aber nun kämpfte sie um ihr Leben, trat und kratzte und biss und versuchte, den Dolch zu packen, welchen der Krieger ihr ins Herz stoßen wollte.
Rabe stieß ein lautes, herausforderndes Brüllen aus.
Der Krieger, Ga-tak, hob den Kopf, aber er kämpfte weiter mit Dur-zor und wandte sich nicht gegen den Trevinici.
Ga-tak wusste, dass er nicht in Gefahr war. Als Rabe schrie, sprangen zwei weitere Krieger aus dem hohen Gras, in dem sie sich verborgen hatten.
Rabe war nicht dumm genug zu glauben, dass er gegen drei erfahrene Taankrieger ankommen könnte, und selbst wenn es ihm gelingen würde, wäre Dur-zor längst tot, bevor der Kampf zu Ende war. Ihre Kraft ließ bereits nach. Sie warf ihm einen flehentlichen Blick zu.
Rabe hatte nur eine einzige Chance. Er warf das Tum-olt nieder, so dass es bebend im Boden stecken blieb. Dann hob er die Hände und rief laut: »Im Namen von K'let befehle ich euch aufzuhören!«
Zu Rabes Erstaunen gehorchten sie. Die Taan verstanden zwar nur ein einziges Wort, aber es war von größter Wichtigkeit: K'let, ein Taanwort, das selbst ein Mensch aussprechen konnte. Rabe trug immer noch die Rüstung eines Leibwächters des Taanvrykyl: einen kunstvoll gravierten Harnisch aus Stahl, einen Stahlkragen mit Stacheln über einem Kettenhemd und einen schneeweißen Umhang, der für den Albino stand. Auch sein Tum-olt war ein Geschenk von K'let.
»Ich bin K'lets Diener«, fuhr Rabe fort. »Wer mir Schaden zufügt, wendet sich auch gegen K'let.«
Ein wenig prahlerisch und nicht vollkommen wahr, aber es beeindruckte die Taan.
Ga-tak zögerte. Das war alles, was Dur-zor brauchte. Sie wand sich aus seinem Griff und rannte zu Rabe.
Ga-tak und die andern Taankrieger schauten einander unsicher an. Sie hatten von Dag-ruk den Befehl erhalten, die Halbtaan zu töten, und R'lt hatte ihnen befohlen, den Xkes umzubringen, aber sie verspürten auch eine gesunde Furcht vor dem Vrykyl K'let. Dag-ruk und R'lt würden wütend sein. Sie würden vielleicht ihre Körper töten, aber K'let konnte ihre Seelen zum Schrumpfen bringen, sie in die Leere schleudern und somit davon abhalten, sich dem Kampf der Götter anzuschließen, der darüber entscheiden würde, wer im Himmel herrschte.
Die Seelen siegten.
Die Taan steckten ihre Waffen wieder ein. Ga-tak warf den Dolch hin. Einer nach dem anderen gingen sie an Rabe vorbei, der es nicht wagte, sich seiner Erleichterung zu überlassen. Er tat weiterhin zornig empört, bis sie weg waren.
Die Taan warfen ihm im Vorbeigehen kühle Blicke zu, als wollten sie sagen: »Du hast dieses Mal vielleicht gewonnen, aber wie wird es für dich weitergehen?«
Rabe fragte sich das ebenfalls. Als er sicher war, dass die Taan verschwunden waren und ihn nicht mehr angreifen würden, seufzte er tief. Dann wandte er sich Dur-zor zu.
»Ihr Götter! Was haben sie mit dir gemacht?«
Es sah aus, als hätte Ga-tak sie mehrmals geschlagen. Ihr Gesicht blutete und war blau geschlagen, ihre Nase gebrochen, und beide Augen waren schon halb zugeschwollen. Ein Handgelenk war bläulich und ebenfalls geschwollen – wahrscheinlich gebrochen –, und sie hatte Schnittwunden an den Armen, weil sie sich
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