Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Trevinici zugewandt und starrte ihn an.
»Jessan«, sagte Ulaf. »Kennst du diesen Mann?«
»Nein«, antwortete Jessan. »Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Aber seinen Zeichen nach zu schließen gehört er zu einem Stamm, welcher weit von meinem entfernt lebt, irgendwo in der Nähe von Vilda Harn.«
»Das ist seltsam«, meinte Ulaf, »weil er nämlich behauptet, dich zu kennen. Er hat den Pecwae erzählt, du hättest ihn nach ihnen geschickt. Er hat deinen Namen benutzt, um zu versuchen, sie aus der Stadt zu schicken.«
Jessan runzelte die Stirn. »Warum sollte er so etwas tun? Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Ich war die ganze Zeit bei Baron Shadamehr.«
»Jessan«, sagte Ulaf rasch, »ich muss dir jetzt etwas sagen, das du vielleicht nicht gern hörst, aber du musst vollkommen ruhig bleiben. Du darfst dir auf keinen Fall etwas anmerken lassen. Ich glaube, dieser Trevinici ist ein Vrykyl.«
Jessan starrte Ulaf einen Augenblick an. Seine Augen wurden dunkler, seine Miene noch ein wenig finsterer, aber er sagte nichts.
»Entlarve ihn nicht«, warnte Ulaf. »Nicht hier drin. Ich glaube, er hat es auf den Stein der Könige abgesehen, und er würde nicht zögern, alle hier umzubringen, um ihn zu bekommen.«
»Was werden wir tun?«, wollte Jessan wissen.
»Du gehst hinüber und sprichst mit dem Trevinici. Sieh nur, wie beunruhigt er ist. Er weiß, dass etwas nicht stimmt. Versuche, ihn abzulenken.«
»Und was dann?«
»Gleich wird hier das Chaos ausbrechen. Wenn das passiert, schnappst du dir die Großmutter und Bashae und bringst sie nach draußen. Bring sie zu Alise und Shadamehr.«
»Was ist mit dem Vrykyl? Was, wenn er versucht, mich aufzuhalten?«
»Mach dir wegen dem Vrykyl keine Gedanken. Um den kümmere ich mich schon. Deine einzige Sorge sind die Pecwae, verstanden?«
Jessan nickte und ging zu dem fremden Trevinici, um mit ihm zu reden. Ulaf blieb noch einen Augenblick, wo er war, erwartete das Schlimmste und machte sich darauf gefasst, sofort handeln zu müssen. Jessan wusste jedoch, was er tat, und schon bald unterhielten sich die beiden Krieger scheinbar friedlich. Bashae kaute zufrieden an Brot und Käse und lauschte den beiden Trevinici. Die Großmutter starrte mit leicht geöffnetem Mund ins Leere, und ihr Blick wirkte glasig und leer.
Ulaf gefiel nicht, wie sie aussah. Er fragte sich, ob sie vielleicht kurz vor einem Schlaganfall stand, wie ihn ältere Menschen mitunter erlitten. Aber wenn das der Fall sein sollte, konnte er nichts dagegen tun. Er drängte sich durch bis zur Theke. Dabei hob er lässig die kleine Pfeife, welche er an einer Silberkette um den Hals trug, und holte sie heraus, so dass alle sie sehen konnten. Er spielte damit, führte sie aber nicht an die Lippen.
An der Theke stellte er sich direkt neben den Mann, welcher sich die Nase gerieben hatte.
»Was gibt es, Guerimo?«
»Im Palast hat es Ärger gegeben. Shadamehr und der Paladin mussten durch ein Fenster fliehen. Jetzt sind ihnen die Kriegsmagier auf den Fersen!«
»Kriegsmagier!«, stöhnte Ulaf.
»Sie sind wahrscheinlich schon auf dem Weg hierher. Sie wissen, dass er für gewöhnlich in diesem Gasthaus absteigt, wenn er in der Stadt ist. Weißt du, wo der Baron steckt? Wir müssen ihn warnen.«
Während Ulaf zuhörte, behielt er die Pecwae, Jessan und den falschen Trevinici im Auge.
»So seltsam es klingen mag«, sagte Ulaf. »Das ist im Augenblick meine geringste Sorge. Ich brauche ein bisschen Ablenkung.«
»Das Übliche?«, fragte Guerimo grinsend.
Jessan hatte sich dazu entschlossen, Neu-Vinnengael zu verlassen, noch bevor er die Mollige Mieze betreten hatte. Auf dem Weg zur Schänke, die er eher zufällig als mit Hilfe von Alises Beschreibung gefunden hatte, hatte er einen Plan geschmiedet. Er würde die beiden Pecwae holen und mit ihnen in ihre Heimat zurückkehren, an einen Ort, an welchem man die Sonne sehen und klare Luft atmen konnte. Wenn er erst einmal dort wäre, würde er auch in der Lage sein, alles genau zu durchdenken und die Antworten zu finden, die ihm irgendwo unterwegs verloren gegangen waren.
In Jessans früherem Leben – der Art von Leben, das er geführt hatte, bevor man ihn mit dem Stein der Könige auf den Weg geschickt hatte – hatte er noch als Kind gegolten. In seinem neuen Leben hatte er seine Kindheit hinter sich gelassen. Er hatte gegen einen mächtigen Feind gekämpft und ihn getötet. Er hatte seinen Kriegernamen gefunden – Verteidiger. Er hatte treu zu dem
Weitere Kostenlose Bücher