Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Schwelle, und Ulaf hoffte, dass die Menschenmenge ihn einschüchtern und er beschließen würde, zu verschwinden. Tatsächlich verzog der Krieger beim Anblick so vieler Leute mürrisch das Gesicht, aber dann folgte er den beiden Pecwae nach drinnen und klammerte sich an sie wie der Tod.
Ein unselig angemessener Vergleich, dachte Ulaf.
Er sah sich rasch nach Shadamehr um, aber er konnte den Baron nicht finden, und das war ein schlechtes Zeichen. Entweder war Shadamehr immer noch unter Arrest, oder etwas Schlimmeres war geschehen. Keiner von Shadamehrs Leuten gab offen zu erkennen, dass sie Ulaf kannten, der sich seinerseits auch nicht anmerken ließ, dass er zu ihnen gehörte. Der Wirt, der Ulaf gut kannte, schaute an ihm vorbei, und die geschäftigen Kellnerinnen warfen ihm gequälte Blicke zu, als wäre er nur ein weiterer ganz gewöhnlicher Gast. Alle wussten, dass Ulaf hier vielleicht etwas Wichtiges zu tun hatte und vielleicht eine seiner falschen Identitäten benutzte. Er würde schon ein Zeichen geben, wenn er erkannt werden wollte.
Der Schankraum war überfüllt. Die Ausgangssperre hatte Besucher von Neu-Vinnengael überrascht, und sie würden sich zu viert ein Bett teilen müssen. Dazu kamen noch ein paar Ortsansässige, die in der Nähe wohnten und glaubten, sich nach Hause schleichen zu können, bevor die Patrouillen sie erwischten. Sie waren hergekommen, um über die Kriegsgerüchte zu sprechen. Alle Tische waren voll, aber Ulaf machte sich deshalb keine Gedanken, und tatsächlich wurde bald nach seiner Ankunft ein Tisch nahe der Tür frei. Er steuerte die Pecwae in diese Richtung. Die beiden Männer, die zuvor am Tisch gesessen hatten, gingen an Ulaf vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, aber einer rieb sich die Nase auf recht seltsame Art.
Ulaf kannte den Mann und die Bedeutung des Zeichens. Etwas Schlimmes war passiert, und sie mussten reden. Der Mann ging nun an die Theke. Ulaf wollte die Pecwae nur ungern mit dem seltsamen Trevinici allein lassen, aber er musste erfahren, was geschehen war.
Er brachte die Großmutter zu ihrem Stuhl, und es fiel ihm auf, dass die für gewöhnlich muntere ältere Pecwae ungewöhnlich still blieb. Hin und wieder hob sie den Stock mit den Achataugen und drehte ihn hierhin und dahin. Dann schüttelte sie mit finsterer, missbilligender Miene gleichzeitig ihren Kopf und den Stock.
Ein paar Gäste starrten die Pecwae und den Trevinici an. Shadamehrs Leute vermieden jedoch angestrengt jeden längeren Blickkontakt und taten, was sie konnten, um die anderen abzulenken. Der Mann an der Theke rieb sich die Nase noch einmal, und dieses Mal nieste er laut.
Der fremde Trevinici setzte sich nicht, sondern blieb an die Wand gelehnt stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte die Pecwae mit finsterer Miene an.
»Bashae«, sagte Ulaf. »Komm mit …«
»Seht doch, da ist Jessan!«, rief Bashae. Er winkte. »Hierher, Jessan!«
Jessan betrat die Schankstube, und er war so zufrieden und erleichtert, seine Freunde zu sehen, dass sich seine für gewöhnlich strenge Miene zu einem Lächeln entspannte. Er hielt einen Augenblick inne, um den fremden Trevinici verblüfft anzustarren, und wollte den andern Krieger gerade begrüßen, aber dann erinnerte er sich daran, dass er eine dringende Botschaft zu überbringen hatte. Also wandte er sich als Erstes an Ulaf und flüsterte ihm zu: »Ich muss mit Euch sprechen. Allein.«
Ulaf nickte, und die beiden gingen ein Stück auf die Tür zu.
»Ich komme von Alise und Shadamehr«, sagte Jessan. »Der Baron ist verwundet. Alise will, dass Ihr sofort zu ihr kommt.«
»Verwundet?«, fragte Ulaf entsetzt. »Schwer?« Es musste wohl so sein, wenn Alise nach ihm schickte.
»Er wird sterben«, sagte Jessan schlicht. »Er ist im Hinterzimmer einer Kneipe dort drüben.« Er wies mit dem Daumen in die entsprechende Richtung. »Alise ist bei ihm, aber ich glaube nicht, dass sie viel für ihn tun kann. Es geht ihm sehr schlecht.«
»Ihr Götter«, sagte Ulaf und spürte, wie seine eigene Energie aus ihm hinaussickerte.
Seine erste Regung bestand darin, sofort loszustürzen, aber er zwang sich dazu, die Situation noch einmal zu durchdenken. Er musste sich um die Pecwae kümmern – um die Pecwae und den Stein der Könige. Er war für sie verantwortlich und konnte sie nicht allein lassen. Er warf einen Blick zu dem Mann an der Theke, der seinen Blick mit einem noch lauteren Niesen beantwortete. Jessan hatte sich indessen wieder dem
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