Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
und diszipliniertesten Zauberer wurden zu auserwählten Kämpfern der Kirche ausgebildet. Sie waren nicht nur fähige Magier, sondern auch hervorragende konventionelle Krieger, und alle unter ihnen gehörten zu den besten Schwertkämpfern des Kontinents. Sie kämpften als Einheit, und wenn sie ihre magischen Fähigkeiten zusammen anwendeten, verfügten sie über genug Macht, um ein Regiment zu dezimieren. Eine weiße Aura umgab sie, denn sie nutzten ihre Magie, um sich den Weg durch die dunklen Straßen zu beleuchten. Das magische Licht schimmerte auf ihren Schultern, Helmen und Kettenhemden und beleuchtete die Waffenröcke mit dem Wappen ihres hohen Amtes, welche sie über der Rüstung trugen. Sie durchsuchten die Stadt ausführlich, und dabei ließen sie sich Zeit und betraten jedes Haus.
»Vrykyl!«, schrie Ulaf laut. Er versah das Wort mit den Schwingen der Magie und ließ es fliegen. »Vrykyl!«, brüllte er abermals. »In der Molligen Mieze!«
Er wartete einen angespannten Augenblick, dann sah er zu seiner Zufriedenheit, wie die Kriegsmagier die Köpfe hoben, sich umsahen und nach dem Ursprung der Stimme suchten, die in ihren Ohren explodiert war.
»Eilt euch!«, drängte Ulaf sie.
Aber dessen hätte es nicht bedurft. Die Kriegsmagier rannten bereits durch die Straßen.
Ulaf drehte sich um und eilte die Treppe wieder hinunter. Er war auf halbem Weg, als er einen gequälten Schrei hörte – das schrille, hohe Kreischen eines Pecwae.
Shadamehr kam langsam wieder zu Bewusstsein. Er wusste nur, dass er sich schwach fühlte und dass ihm übel war. Er lag auf dem Rücken, auf einer festen, kalten Oberfläche, und gelbes Licht flackerte irgendwo über ihm. Er fragte sich, was geschehen war, und versuchte, sich daran zu erinnern. Angst hielt ihn zurück. Er hatte Angst, dorthin zurückzukehren. Angst, sich zu erinnern. Etwas Entsetzliches war passiert. Der Schatten des Schreckens lag auf seinem Herzen, und er wagte es nicht, in die Vergangenheit zu schauen.
Eine seltsame, unangenehme Wärme durchdrang seinen Körper, als hätte man ihm Blut abgenommen, es in einem Kessel erhitzt und dann wieder zurückgegossen. Ein widerlicher metallischer Geschmack brannte in seinem Mund und ließ ihn würgen. Sein Magen zog sich zusammen. Er übergab sich, aber da er seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, gab es nicht viel in seinem Magen. Er lehnte sich schaudernd wieder zurück.
Dann kamen die Erinnerungen, ungebeten und ungewollt. Er streckte die Arme aus, um den jungen König hochzuheben, den er vor der Regentin retten wollte, welche von einem Vrykyl übernommen worden war. Er packte das Kind, hob es hoch. Schreckliche, brennende Schmerzen zuckten durch seinen Körper. Er sah dem Kind ins Gesicht und fand sich einem Totenkopf gegenüber. Er sah in die Augen des Kindes und erblickte die Leere.
Der junge König von Vinnengael war ein Vrykyl.
Shadamehr konnte wieder sein hilfloses Entsetzen und den Ekel spüren, aber er vermochte sich nicht an viel mehr zu erinnern, denn das eiskalte Feuer aus der Wunde hatte begonnen, sich in seinem Körper auszubreiten.
Und selbst wenn sein Leben davon abgehangen hätte, so hätte er doch nicht zu sagen vermocht, wo er sich befand.
»Vielleicht ist es ja tatsächlich wichtig«, murmelte er und versuchte, sich hinzusetzen. »Der Vrykyl wird nach mir suchen. Ich kenne sein Geheimnis. Er darf mich nicht am Leben lassen. Bah! Verflucht!«
Shadamehr sackte wieder zusammen und blieb keuchend liegen. Schweiß lief ihm über den Körper. Er hörte ein Stöhnen, Gemurmel, unverständliche Worte. Er konnte nicht besonders klar sehen; er war geblendet, weil er in die Laterne gestarrt hatte. Er drehte sich um, schaffte es, sich auf einen Ellbogen zu stützen, suchte nach dem Ursprung der Stimme.
Er stöhnte schaudernd. »Alise!«
Sie lag neben ihm, und ihre Hand ruhte schlaff und reglos auf dem Boden. Sie hatte offenbar im letzten Augenblick die Hand nach ihm ausgestreckt…
Mit zitternden Fingern schob er die roten Locken beiseite, welche über ihr Gesicht gefallen waren. Er hielt den Atem an.
Alise war eine Schönheit, die nichts aus ihrer Schönheit machte. Sie schnaubte nur verächtlich bei dem Gedanken, dass sie schön war, und lachte laut über die Sonette und Lieder, die zu ihrem Lob geschrieben wurden, sehr zur Kränkung vieler ernsthafter junger Verehrer. Sie verfügte über eine scharfe Zunge und ein Temperament, das zu ihrem roten Haar passte; sie war klug und geistreich
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