Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
und den Gesängen, welche jeden Teil des Lebens an Bord begleiten. Alise saß da und beobachtete ihn.
»Zumindest«, sagte Shadamehr, der aus dem Bullauge starrte, »segeln sie nicht davon.«
»Das stimmt«, meinte Griffith. »Sie haben nicht mal den Anker gelichtet.«
»Das ist kein so hoffnungsvolles Zeichen«, sagte Alise. »Wenn deine Theorie stimmt, sollte der Kapitän darauf warten, dass die Taanarmee auftaucht.«
»Du hast Recht«, erwiderte Shadamehr nüchtern. »Das habe ich vergessen.«
Es klopfte an der Tür, dann steckte ein riesiger Ork seinen rasierten und tätowierten Kopf herein. »Der Kapitän sagt, ihr sollt zum Essen kommen.«
»Hoffentlich nicht als Hauptgang«, sagte Shadamehr.
»Nee.« Der Ork grinste. »Es gibt Tintenfisch!«
Bei dieser Bemerkung sank Damra, die aufgestanden war, wieder auf ihr Bett. »Nein, danke. Ich habe keinen Hunger.«
Das Grinsen des Orks war sofort verschwunden. »Ihr werdet kommen«, sagte er. »Ihr werdet alle kommen. Der Kapitän verlangt es.«
»Zumindest gibt es keine getrockneten Feigen«, flüsterte Shadamehr ihr ins Ohr, als sie hinausgingen.
Die Unterkunft des Kapitäns befand sich im Bug des Schiffs und war nach Orkmaßstäben ziemlich aufwändig gestaltet. Ein großes Fenster bot einen hinreißenden Blick aufs Meer. Der Tisch, der aus einer Holzplatte auf Böcken bestand, bot Platz für zehn Orks oder vierzehn Menschen. Eine riesige Landkarte von Loerem und den umgebenden Meeren hing an einer Wand. Eine andere Karte – diese kleiner und detaillierter – zeigte die Gesegnete Landenge, die Mündung, Krammes und AltVinnengael. Sie lag auf einem Schreibtisch ausgebreitet und wurde von verschiedenen Navigationsinstrumenten an Ort und Stelle gehalten. Shadamehr war von den Karten so gefesselt, dass er überredet werden musste, sich von ihnen loszureißen und seinen Platz am Tisch einzunehmen.
Der Kapitän der Kapitäne saß am Kopf des Tisches, und die Gäste waren an beiden Seiten platziert. Dazu setzten sich zwei weitere Offiziere. Bei den anderen Anwesenden handelte es sich um Schamanen. Das Essen war sowohl für den Geschmack von Orks als auch für den von Menschen und Elfen zubereitet; es gab gebratenen Tintenfisch, Fischsuppe und eine lilafarbene Suppe für die Elfen. Die Orks tranken Bier. Für die Menschen und Elfen ließ der Kapitän Wein ausschenken, ein Getränk, das sie nicht mehr gekostet hatten, seit sie Neu-Vinnengael verlassen hatten. Orks trinken keinen Wein und sind der Ansicht, dass er bestenfalls für kleine Kinder geeignet ist, und auch nur dann, wenn sie krank sind.
Shadamehr nahm den großzügig gefüllten Krug entgegen, welchen die Orks ihm anboten. Er schmeckte den Wein und ließ ihn sich über die Zunge laufen. Es war der berauschende, würzige Rote aus dem Süden von Dunkar, und er schmeckte wunderbar, besonders wenn man wochenlang nur abgestandenes Wasser aus Fässern getrunken hatte, Shadamehr zögerte einen Augenblick, bevor er weitertrank, und überlegte. Er glaubte zu wissen, was hier los war. Lächelnd hob er den Krug an die Lippen und trank den gewürzten Wein. Er leerte den Krug und bat um mehr.
Das Gespräch floss mit dem Wein. Der Kapitän sprach über die politische Situation der Welt. Shadamehr war von ihren Kenntnissen beeindruckt. Er hatte das Gefühl, dass er sich wegen einiger Dinge, welche sie sagte, unbehaglich fühlen sollte, aber der Wein war zu gut, um ihn mit Streitereien zu verderben. Sie wusste von Dagnarus. Shadamehr versuchte zu begreifen, wie der Kapitän zu dem neuen König von Vinnengael stand, aber mit einer Ausnahme blieb sie unverbindlich.
»Wenn man die Sache vor zweihundert Jahren den Orks überlassen hätte«, sagte sie und riss sich ein Stück Brot ab, um damit die Überreste ihrer Suppe aufzuwischen, »müsstet ihr Menschen euch jetzt keine Sorgen mehr wegen Dagnarus machen.«
»Wie meint Ihr das?«, fragte Shadamehr höflich, denn er spürte, dass nun eine Geschichte fällig war.
»Als König Tamaros den Stein der Könige erhielt, lud er alle Vertreter der vier Völker ein, um ihn mit ihnen zu teilen. Er hatte eine großartige Zeremonie vorbereitet. Unser Kapitän der Kapitäne war eingeladen. Er wusste nicht, ob er hingehen sollte, denn die Vorzeichen waren sehr schlecht. Seine Schamanin versicherte ihm, dass die schlechten Vorzeichen sich nur auf die Menschen bezogen, nicht auf die Orks, und der Kapitän ging hin. Während der Zeremonie kam es zum schlimmsten Vorzeichen für die
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