Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
Stuhl absah.
Auf diesem Stuhl saß ein älterer Mann. Sein Bart war ordentlich geschnitten und gebürstet. Er trug ein Gewand aus feiner Wolle und betrachtete Alise mit ausdrucksloser Miene.
»Rigiswald…«, stöhnte Alise. Sie versuchte, sich aufzusetzen.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Rigiswald. »Du hattest eine unruhige Nacht. Und ich fürchte, dein Tag wird nicht viel besser sein.«
Angst bewirkte, dass ihr Kopf vollends klar wurde.
»Shadamehr!«, sagte sie mit belegter Stimme. Es fiel ihr schwer, die geschwollene Zunge zu bewegen. Sie sah sich im Zimmer um und konnte ihn nicht entdecken. »Wo ist er? Was hat …«
»Nicht hier«, sagte Rigiswald. »Er und der elfische Paladin sind weg.«
»Und Griffith?«
»Er ist hier. Er ist im Nebenzimmer und schläft seinen Rausch aus.«
Alise schaute an sich hinab. Ihr rotes Haar war zerzaust, ihr Kleid verknittert und schmutzig.
»Wo sind wir?«, fragte sie. »Das hier ist kein Schiff…«
»Nein«, antwortete Rigiswald. »Du bist in Krammes. In einem Gasthaus. Dem Fröhlichen Pichler.«
Alise setzte sich. »Wo ist Shadamehr?«, fragte sie entschlossen.
»Ich glaube, meine Liebe«, sagte Rigiswald, »dass die Orks ihn und die Elfenfrau mitgenommen haben. Ich habe ihren Namen vergessen.«
»Damra«, sagte Alise. Sie stand auf und taumelte unsicher zum Fenster, wo sie sich festhalten musste, um stehen bleiben zu können. Sie starrte aufs Meer hinaus. Sie starrte, bis ihre Augen schmerzten und Tränen über ihre Wangen liefen.
»Das Schiff – das Schiff des Kapitäns…«
»Weg«, sagte Rigiswald knapp. »Davongesegelt. Du solltest dich wieder ins Bett legen, bevor du umfällst.«
Alise drehte sich vom Fenster weg, aber sie ging nicht wieder ins Bett. »Sagt mir, was passiert ist. Wie habt Ihr mich gefunden? Uns?«, verbesserte sie sich, als ihr Griffith wieder einfiel.
»Ich habe Wache gehalten«, erwiderte Rigiswald. »Die Botschaft des Orks sagte, dass das Schiff nach Krammes unterwegs sei. Ich habe Freunde unter den hiesigen Orks und habe verlauten lassen, dass ich es zu schätzen wüsste, wenn man mich benachrichtigt, sobald meine Freunde eintreffen. Ich habe dich und Shadamehr beschrieben.
Gestern Abend kam gegen Mitternacht ein Ork zu mir und sagte, ich sollte sofort mit ihm kommen, weil eine der Personen, die ich suchte, Ärger hätte. Er brachte mich hierher, in dieses Gasthaus. Bist du sicher, dass du dich nicht lieber hinsetzen willst?«
»Es geht mir besser, wenn ich stehe. Ich stehe doch, oder?«
Rigiswald nickte.
»Das hatte ich gehofft. Ich wünschte nur, der Boden würde aufhören sich zu bewegen«, sagte Alise.
»Du hast deine Landbeine noch nicht wieder«, stellte Rigiswald fest. »Als ich hier eintraf, fand ich vier orkische Seeleute vor. Einer hatte dich über seine Schulter geworfen. Der andere trug einen Elf. Sie stritten sich mit dem Besitzer dieses Etablissements, das Letzterer als ›Gasthaus‹ bezeichnet. Die Orks behaupteten, es sei geplant, dich und den Elf über Nacht hier zu lassen. Für die Unterkunft sei bereits bezahlt.
Der Besitzer behauptete, es wäre nicht genug Geld. Und dass er ein ehrenwertes Haus führt und mit ›betrunkenen Flittchen‹ nichts zu tun haben will. Ich sollte vielleicht hinzufügen, dass die Orks ein Tuch um den Kopf deines Freundes Griffith gewickelt hatten. Wenn seine Ohren nicht zu sehen sind, gibt er eine recht attraktive Frau ab.«
»O Götter!«, stöhnte Alise. Sie versuchte vergeblich, ihr Haar aus der Stirn zu wischen, und gab es schließlich auf. »Als ich aufwachte, habe ich mich gefühlt wie etwas, das von einem Wagen überfahren und zum Sterben in den Graben geworfen wurde, und dann finde ich Euch hier, Griffith als Frau verkleidet und Shadamehr verschwunden.«
Ihre Stimme zitterte. »Ich glaube, ich werde mich jetzt doch hinsetzen«, sagte sie und taumelte wieder zu ihrem Bett. »Was ist danach passiert? Habt Ihr mit den Orks gesprochen?«
»Ja. Sie behaupteten, sie wären euch beiden in einer Kneipe am Hafen begegnet. Dass ihr alle zusammen ›viel Spaß‹ gehabt hättet, bis ihr beiden von zu viel Alkohol das Bewusstsein verloren hättet. Man hat ihnen gesagt, sie sollten euch hierher bringen. Ich fragte, wer es ihnen gesagt hat, wer bezahlt hat und so weiter. Als Antwort gaben sie mir das hier und sagten, es sei für dich.«
Er griff in einen Lederbeutel und holte einen Ring heraus, welchen er Alise reichte. Der Amethyst glitzerte im Sonnenlicht. Alise nahm ihn mit
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