Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
sonderlich aufregend – nicht wie Biersäufer –, aber er passt zu dir.«
Jessan hielt die Hand seines Freundes fest. Dann holte er tief Luft und sagte: »Immer wenn ein Trevinici-Krieger in Not ist, wird sich dein Geist erheben und ihm zu Hilfe kommen, zusammen mit den Geistern unserer anderen Helden.«
Bashae lächelte. »Ich hoffe… dass ich ihnen nicht im Weg sein werde.«
Er seufzte. Sein Körper wurde starr, dann erschlaffte er. Die Hand, die Jessans Hand gehalten hatte, rutschte weg. Das lebendige Funkeln in den Augen des Pecwae verging.
Ulaf beugte sich über ihn und lauschte nach dem Herzschlag, dann fuhr er sanft mit der Hand über die starren Augen. »Bashae ist von uns gegangen«, sagte er leise.
Shadamehr sackte auf einen Stuhl und ließ den Kopf auf die Arme sinken. Er hatte einen weiteren Abschied zu nehmen, und dieser würde ihm das Herz zerreißen und nur Trostlosigkeit, Schuldgefühle und bittere Reue zurücklassen. Er fühlte sich, als triebe er in finsterem Wasser und würde von einer tödlichen Unterströmung erfasst, die ihn abwärts zog. Ihm fehlte die Energie, sich noch zu bewegen. Es schien ihm so viel einfacher, aufzugeben und zuzulassen, dass sich die dunklen Fluten über seinem Kopf schlossen.
Voller Neid starrte er den toten Bashae an, dessen Gesicht nicht mehr von Schmerz und Sorgen gezeichnet war. Shadamehr sehnte sich danach, den gleichen Frieden zu finden, aber das konnte er sich nicht leisten. Er hatte Alise etwas versprochen, und Bashae ebenfalls. Er hatte den Stein der Könige übernommen. Die Verantwortung war auf ihn übergegangen, und er musste entscheiden, was damit zu tun war.
Der Rat der Paladine war auf Befehl der neuen Regentin aufgelöst worden.
Diese Versammlung alter Knacker hätte ohnehin nichts erreichen können, dachte Shadamehr, aber dann tadelte er sich selbst. Er konnte es ihnen wohl kaum vorwerfen, kein frisches Blut in den Rat geholt zu haben. Man hatte ihm die Möglichkeit geboten, zum Paladin zu werden, und er hatte sie achtlos beiseite geworfen.
Der Lord der Leere und seine Armeen dämonischer Taan errichteten vor Neu-Vinnengael ihr Lager. Der junge König war ein Vrykyl im Körper eines Kindes, ein Vrykyl, der sowohl den alten König – einen guten Freund des Barons – als auch seinen unschuldigen Sohn umgebracht hatte, um den Thron zu stehlen. Shadamehr kannte die Wahrheit, aber wie sollte er irgendwen davon überzeugen? Er wurde als Verbrecher gesucht, als der Mann, welcher es gewagt hatte, Hand an den jungen König zu legen. Zweifellos hatte man bereits die Todesstrafe über ihn verhängt, und der Vrykyl hatte den Befehl gegeben, ihn sofort zu töten, wenn man ihn fand.
Und gleich würde er sich von Alise verabschieden müssen – der Frau, die er seit Jahren liebte, der einzigen Frau, die er jemals lieben konnte.
»Ich habe einfach nicht die Kraft«, sagte er verzagt. »Ich kann das nicht. Bashae… Alise, ihr habt der falschen Person vertraut. Ihr habt dafür mit eurem Leben bezahlt. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, wohin…«
»Shadamehr!«
Er riss den Kopf hoch und öffnete die Augen. Ulaf stand neben ihm und rüttelte ihn am Arm.
»Tut mir Leid, wenn ich Euch geweckt habe«, begann er.
»Ich habe nicht geschlafen«, sagte Shadamehr.
»Herr«, sagte Ulaf, »es geht um Alise.«
Shadamehr wurde bleich. Er musste stark sein. Das war er ihr schuldig. »Ist es so weit?«, fragte er.
»Ich denke, Ihr solltet mitkommen«, antwortete Ulaf leise.
Shadamehr stemmte sich hoch. Er weigerte sich, sich von Ulaf helfen zu lassen, und ging allein in den Lagerraum. Er wurde stärker. Die Schrecken der Leere blieben, trieben an der Oberfläche des dunklen Wassers mit dem Rest des Treibguts seines Lebens, aber seine körperliche Kraft kehrte zurück. Er betrat den Lagerraum, und ihm fiel auf, dass Ulaf an der Tür zurückblieb.
Als er zwischen den Fässern und Kisten zu der Stelle ging, wo er Alise zurückgelassen hatte, bot sich ihm ein sehr seltsamer Anblick.
Es sah aus, als wäre Alise vollkommen von einem Zirkuszelt verschluckt worden.
Über ihre Schultern und dem Oberkörper breitete sich eine Masse bunten Tuches aus, das mit Steinen und Glöckchen verziert war. Shadamehr erinnerte sich vage daran, so etwas schon einmal gesehen zu haben, und als er dann die Großmutter anschaute, fiel es ihm wieder ein. Die Großmutter hatte ihren glöckchenklingelnden, steineklickenden Rock ausgezogen und ihn über Alise
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