Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
sagte Dagnarus. »Ich werde für deine Befreiung sorgen. Ich brauche dich anderswo.«
»Sehr gut, Mylord«, erwiderte Shakur.
Hirav streckte die Hand aus, griff nach Dagnarus' Hand und drehte sich so, dass sie der Menge gegenüberstanden. Der Junge erhob die Stimme.
»Hiermit sollen alle Versammelten wissen, und es soll auch den Bürgern von Vinnengael kundgetan werden, dass Wir, Hirav III. König von Vinnengael, aus freien Stücken den Thron, welchen Wir von Unserem Vater Hirav II. geerbt habe, an Unseren Vetter Prinz Dagnarus, Sohn von König Tamaros, den rechtmäßigen Erben dieses Throns, abtreten.«
Hirav setzte die Krone ab (die viel zu groß für ihn war und Polster brauchte, um ihm nicht über die Nase zu rutschen) und reichte sie mit einer Verbeugung Dagnarus.
Dagnarus hielt die Krone einen Augenblick fest und starrte sie mit ernster und feierlicher Miene an. Die Krone war etwa hundertachtzig Jahre alt und von modernem Entwurf. Die alte, schwere Krone von Vinnengael mit ihren hundert wunderbaren, von Diamanten umgebenen Saphiren war bei der Zerstörung der Stadt vernichtet worden. Dagnarus hatte nach dieser Krone gesucht, ebenso wie nach dem juwelenbesetzten Reichsapfel, dem Zepter und anderen wertvollen Stücken aus dem Schatz des Königs, als er seine gefährliche Reise in die Ruinen von Alt-Vinnengael unternahm, aber er hatte sie nicht finden können. Er nahm an, dass Helmos sie für den Fall eines Angriffs irgendwo versteckt hatte. Dagnarus hatte immer noch vor, sie zu suchen, aber das würde später passieren.
Im Augenblick hielt er in seiner Hand zweihundert Jahre von Träumen und Sehnsüchten, Tränen und Blut. Er blickte auf die Menge. Er sah die fetten Barone lächeln, Blicke wechseln und dann zustimmend nicken. Sie glaubten, ihn in der Tasche zu haben. Er sah Höflinge, die bereit waren, seinen Speichel zu lecken, ebenso wie sie den der Regentin geleckt hatten, Menschen, welche Seiten wechseln würden, wann immer der Wind sich drehte. Er sah die Magier – rebellisch, glühend vor Zorn und wahrscheinlich schon mit Intrigen zu seinem Sturz beschäftigt. Alle würden vor ihm niederknien und ihn zum König erklären, aber sie würden es mit mürrischer Miene oder mit tückischen Seitenblicken tun oder ein höhnisches Lächeln hinter der Hand verbergen.
Nein! Bei den Göttern oder der Leere oder wer auch immer sein Gelübde annehmen würde. Er wollte sie vor sich auf dem Bauch sehen, gedemütigt und geschlagen, mit keinem Hauch ihrer alten Überheblichkeit und Angriffslust. Er wollte, dass sie seine Füße mit ihren dankbaren Tränen wuschen. Er wollte ihren einmütigen Segen.
Also musste er sie geißeln.
»Ich danke Euch, Euer Hoheit«, sagte Dagnarus. »Ich nehme diese Krone, aber nur zu treuen Händen …«
Die Menschen begannen, leise zu murren. Die Barone schienen beunruhigt, die Magier misstrauisch.
» – bis ich mich als würdig erwiesen habe, euer Herrscher zu sein. Und das wird erst geschehen, wenn ich den Kampf gegen den Feind, der droht, euch zu zerschmettern, gewonnen habe.«
Dagnarus ging zu dem Mönch vom Drachenberg, welcher mit Augen zusah, die an der Oberfläche vor Neugier und Interesse glitzerten und darunter dunkel und unergründlich waren. Er reichte ihm die Krone.
»Ich möchte Euch darum bitten, Hüter der Zeit, sie für mich aufzubewahren bis zu jenem Tag, an welchem ich meine Feinde besiegt und sie unter meinen Füßen zu Staub zertreten habe.«
Die meisten Anwesenden glaubten natürlich, dass er von den Taan sprach. Was der Mönch dachte, hätte man bestenfalls erraten können.
Der Mönch nickte und sagte etwas zu den Omarah, wahrscheinlich in deren eigener Sprache. Die Omarah grunzten. Einer streckte die Hand aus und nahm die Krone. Er steckte den kostbaren Gegenstand mit seiner nicht allzu sauberen Hand ohne weitere Umstände unter seine Schaffellweste, dann nahm er wieder seine alte Position ein. Seine gleichgültige Miene änderte sich nicht. Er hätte ebenso gut ein gerupftes Huhn wegstecken können wie das Symbol des mächtigsten Königreichs in Loerem.
Hinter Dagnarus begann leises Gemurmel, denn nur wenige wussten, was sie von dieser Sache halten sollten.
Die Barone und ihre Anhänger waren verständlicherweise begierig zu hören, wie Dagnarus die Taanarmee besiegen wollte. Am Tag wurde die feindliche Armee vom Nebel verschluckt, und es gab einige, die hofften, dass sie einfach davonmarschiert waren. Als die Nacht hereinbrach, waren ihre Lagerfeuer
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