Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
darstellt.«
Er warf einen grimmigen Blick zum Tempel hinüber. Die Menge folgte diesem Blick, und ein leises Knurren erklang.
»Heuchler«, sagte Rigiswald von seinem Aussichtspunkt auf der Treppe aus. »Es gibt nicht einen unter euch, der nicht einmal jammernd zur Kirche gerannt ist. Ihr wolltet geheilt werden, ihr brauchtet Magie, um die Steine zu heben, mit denen ihr eure Häuser gebaut habt, ihr wolltet beschützt werden. Ja, wir haben Fehler gemacht, die Götter mögen uns helfen. Aber ihr steht gerade davor, den größten Fehler eures Lebens zu begehen.«
»Wir unterstützen Prinz Dagnarus!«, rief der Baron.
Die Menge jubelte so laut, dass der Boden bebte und die Tauben auf dem Platz erschrocken aufflatterten. Die Barone und Ritter stiegen auf den Wagen und wurden von der Menge in einer großartigen Prozession bis zum Palasttor begleitet.
Rigiswald drehte sich angewidert um und kehrte zurück in den Tempel. Dort drängten sich ein paar Novizen und Schüler im Flur zusammen, von wo aus sie mit weit aufgerissenen Augen und entsetzten Mienen zugehört hatten.
»Stimmt das, Ehrwürdiger Bruder?«, fragte eine junge Frau mit Stupsnase, die offenbar vor niemandem Ehrfurcht empfand, nicht einmal vor einem älteren Meister. »Werden sie sich wirklich auf die Seite des Lords der Leere schlagen?«
»Geht wieder an die Arbeit«, wies Rigiswald sie an. »Ihr könnt es brauchen.«
Von draußen konnte er hören, wie die Menge »Dagnarus! Dagnarus!« rief. Jemand hatte irgendwo eine Trommel gefunden, und sie fingen an, den Namen zu deren rhythmischem Schlag zu rezitieren, teilten ihn in die drei Silben auf, mit jeweils einem Trommelschlag dazwischen.
»Dag-na-rus!« Bumm. »Dag-na-rus.« Bumm.
»Nun, das wird ihm sicher das Gefühl geben, wieder zu Hause zu sein«, brummte Rigiswald auf dem Rückweg zu seinem Zimmer. »Er wird glauben, dass er wieder bei seinen Wilden ist.«
Sobald er im Zimmer war, warf er die Tür zu, um den Lärm nicht mehr hören zu müssen, und verriegelte sie. Die Stille danach war beruhigend und gab ihm Gelegenheit nachzudenken. Er überlegte, was er nun tun sollte. Er hatte vor, Shadamehr Bericht zu erstatten, aber sollte er das jetzt tun oder warten, bis die Sache mit Dagnarus endgültig war? Rigiswald kam zu dem Schluss, dass es keine Eile hatte. Der Baron war ohnehin wahrscheinlich draußen auf dem Meer und segelte hoffentlich so schnell und so weit von Neu-Vinnengael weg wie möglich. Und was Dagnarus anging, so hielt Rigiswald seine Krönung für so gut wie sicher. Er war nur neugierig, wie ihr neuer König plante, zehntausend Sklaven haltende Ungeheuer loszuwerden, die nach dem Blut der Bürger dürsteten.
Und wie würde Dagnarus mit der Kirche umgehen? Von dieser Seite konnte der Lord der Leere auf keine Unterstützung hoffen. Oder doch?
»Er wird es tun«, sagte er schließlich zu sich selbst, als er sich erschöpft von dem anstrengenden Tag aufs Bett legte. »Er wird sie auf seine Seite ziehen, und die, bei denen das nicht gelingt, wird er entfernen. Ich würde an deiner Stelle gut aufpassen, Clovis.«
Während er eindöste, fiel ihm noch ein, dass er lieber selbst gut aufpassen sollte. Es war dumm gewesen, die Vrykyl zu erwähnen. Dagnarus war alles andere als erfreut gewesen, und die Erinnerung an seinen Blick riss den alten Magier jetzt wieder aus dem beginnenden Schlaf. Er suchte in seinem Gewand herum, holte eine Phiole mit Erde heraus, warf ein wenig davon vor die Tür und murmelte ein paar magische Worte.
Dieser Schutzzauber würde den Lord der Leere nicht aufhalten, aber es war wohl kaum anzunehmen, dass Dagnarus selbst etwas unternehmen würde, und gegen einen seiner Handlanger würde es vielleicht genügen. Entweder das, oder es würde Rigiswald zumindest Zeit geben, sich zu verteidigen.
Er behielt die Phiole in der Hand, drehte sich um und schlief ein.
Prinz Dagnarus verließ den Palast nicht. Man brachte ihn in ein abgeschieden gelegenes Zimmer, wo man ihm Essen und Wein servierte. Da er von der Leere lebte, brauchte Dagnarus nichts zu essen; tatsächlich bewirkte der Anblick von Essen eher, dass ihm übel wurde. Aber im Lauf der Jahre hatte er gelernt, so zu tun, als ob, damit es den anderen nicht auffiel. Er zwang sich dazu, ein paar Bissen zu sich zu nehmen, schob das Essen auf dem Teller hin und her und teilte die besten Bissen mit seinen Gästen. Trinken konnte er jedoch, und er tat es häufig im Übermaß.
Wein schloss die starrenden, anklagenden Augen
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