Der Stein der Könige 3 - Die Pforten der Dunkelheit
dann ließ er die Hand langsam und entschlossen über die rasiermesserscharfe Schneide gleiten.
»Euer Majestät!«, keuchte Tasgall. Unwillkürlich machte er einen Schritt vorwärts und streckte die Hand aus, um Dagnarus aufzuhalten.
»Zurück!«, befahl Dagnarus. Er zuckte ein wenig zusammen, aber das war alles. Dann ließ er das Schwert los und streckte Tasgall die Hand hin.
Die Stahlklinge war mit Blut beschmiert. Blut, rot und glitzernd, füllte Dagnarus' Handfläche und tropfte von dort auf den Boden.
»Ihr seht, ich bin sterblich«, sagte Dagnarus.
Tasgall starrte das Blut an, das von der verletzten Hand seines Königs langsam auf den Boden tropfte.
»Die Kriegsmagier werden morgen früh versammelt und bereit sein, Eure Befehle entgegenzunehmen, Sire.«
»Hervorragend«, meinte Dagnarus. Mit dem Schwert schnitt er einen langen Streifen von seinem Umhang und verband seine Wunde.
»Ich könnte das heilen, Euer Majestät«, sagte Tasgall.
»Also wirklich, Sir«, erwiderte Dagnarus lächelnd. »Wozu sollte diese kleine Demonstration gut sein, wenn ich Euch gestatten würde, mich zu heilen? Nein. Die Wunde wird uns beide noch lange an das Versprechen erinnern, welches ich Euch gegeben habe.«
Dagnarus wischte das Schwert mit dem Ende seines misshandelten Umhangs ab, dann reichte er es mit großer Geste Tasgall, welcher es feierlich entgegennahm und wieder in die Scheide steckte.
Nun war sich Dagnarus der Bewunderung des Kriegsmagiers sicher, wenn schon nicht seines vollkommenen Vertrauens, und er erklärte genauer, wie er die Taanarmee vernichten wollte. Während Tasgall zuhörte, fand er Dagnarus' Persönlichkeit immer fesselnder. Sie vergaßen die Zeit und unterhielten sich weiter in der Halle Vergangenen Ruhms, bis schließlich einer der Barone kam, um Dagnarus zum Festbankett abzuholen.
Was die Taan anging, so bekamen sie nicht die Schlacht, welche man ihnen versprochen hatte, sondern sahen mit an, wie ihr Gott Dagnarus, Lord der Leere, allein in die Stadt ritt, die anzugreifen sie einen so langen Weg hinter sich gebracht hatten. Die Taan kannten inzwischen diesen seltsamen Brauch der Derrhuth, bei dem man vor einem Kampf redete, »um das Blutvergießen zu vermeiden«, wie ihr Gott ihnen gesagt hatte, aber sie verstanden ihn nicht.
Da Taan ausschließlich dafür lebten, ihr Blut im Kampf zu vergießen, sahen sie keine Notwendigkeit, mit Worten Zeit zu verschwenden. Die Tatsache, dass diese Derrhuth alles tun würden, um einen Kampf zu vermeiden, überzeugte sie nur noch mehr von etwas, wovon sie eigentlich nicht mehr überzeugt werden mussten: dass sie es mit einer schwachen und verweichlichten Spezies zu tun hatten. Die Taan kehrten zu ihren Lagerfeuern, ihrem Topaxi und ihren Geschichten über tapfere Krieger zurück. Der Topaxi war stärker als sonst, und die Festlichkeiten uferten in Gewalttätigkeiten aus. Die Taan mussten ihre Angriffslust irgendwie loswerden, also begannen sie, sie aneinander auszulassen. Die Schlägereien waren brutal und hässlich, und mehr als ein Nizam musste sich einmischen und seine Leute zurückhalten.
Nb'arsk ging überall im Lager herum und sah, wie die Moral ihrer Leute tiefer und tiefer sank, und sie konnte sich einfach nicht vorstellen, was Dagnarus vorhatte. Es war nicht die erste Gelegenheit, bei der er bewies, dass er die Taan nicht wirklich verstand, obwohl er behauptete, ihr Gott zu sein.
Die Derrhuth im Lager – die Söldner, welche Dagnarus dienten – störten sich nicht daran, dass es nicht zur Schlacht kam. Die Menschen erzählten lachend von Belagerungen, die Monate, sogar Jahre gedauert hatten und in deren Verlauf die feindlichen Armeen nichts anderes taten, als sich hin und wieder über die Mauern hinweg zu beschießen. Nb'arsk hatte erst geglaubt, die Söldner erzählten ihr Lügen, um komisch zu sein – Scherze zu machen war eine weitere rätselhafte Eigenheit der Derrhuth –, aber schließlich ließ sie sich davon überzeugen, dass sie die Wahrheit sagten. Derrhuth kämpften wirklich auf diese Weise.
Nb'arsk sah die Menschen bei ihren Glücksspielen lachen und fluchen, beobachtete sie dabei, wie sie sich mit ihren Frauen im Gebüsch wälzten oder schnarchend und in Decken gewickelt schliefen. Sie beobachtete sie voller Abscheu und hielt sie für Feiglinge. Sie fragte sich, wie ihr Gott es ertragen konnte, sie um sich zu haben, und nicht zum ersten Mal dachte Nb'arsk über diesen Gott nach.
Dagnarus kämpfte wie ein Gott der Taan, er hatte
Weitere Kostenlose Bücher