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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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immer noch das Schwert an seinem Hals und war blasser als ein Sklave aus dem hohen Norden. »Aber … aber wir wissen … wir wissen selbst nicht, welches Land … der heilige Brendan besucht hat. Und … und es ist vierhundert Jahre her, dass er … dass er dort gewesen ist!«
    »Das hat Bruder Patrick auch gesagt, bevor ihn das Schwert eines Berserkirs traf«, erwiderte Hakon. »Aber ich sage, dass sie lebt und dass irgendwo in diesem Buch steht, ob Brendan in Markland oder Vinland gewesen ist.«
    »Markland? Vinland?«, fragte der Pfaffe verständnislos.
    »Versprecht, ihm den Text dieses Buches zu übersetzen«, blieb Edwin stur. »Oder wollt ihr, dass wir allen Christen erzählen, was für unkeusche Gedanken ein heiliger Mönch beim Anblick einer jungen Frau hatte? Wollt ihr das?«
    Hakon nahm das Schwert vom Hals des Pfaffen und gab ihm widerwillig das Buch zurück. »Wenn die Sonne über den Bergen steht, besuche ich euch in der Kapelle. Solltet ihr euch weigern, schlage ich euch die Köpfe ab!«
    Er schob sein Schwert zurück und folgte Edwin den Pfad hinauf.

29
    Was für ein Geschenk, wieder dieses kostbare Buch berühren zu dürfen! Hakon strich mit der flachen Hand über den mit Gold eingelegten Einband und schloss andächtig die Augen, spürte die einzigartige Magie. Er schlug langsam die Seite mit dem Bild der Frau auf und ertrank in ihren glutvollen Augen, fühlte sich ihr so nahe wie nie zuvor und glaubte schon, ihre samtweiche Haut zu fühlen.
    Er saß auf einer Bank in der winzigen Kapelle, die gerade Platz für dreißig Gläubige bot, und schien die Anwesenheit der beiden Priester, die ihm das Buch nur widerwillig gegeben hatten, völlig vergessen zu haben. Erst als sich einer der Männer räusperte, öffnete er die Augen und hielt ihnen das Buch hin. »Steht da irgendwo, wohin dieser Brendan gefahren ist?«
    Bruder Gildas, so hieß der neue Missionar, schüttelte den Kopf. »Ich habe die ganze Nacht in dem Buch gelesen, mein Sohn. An keiner Stelle verrät der heilige Brendan, wo sein ›Land der Verheißung‹ liegt. Weit im Westen soll es liegen, aber welchen Westen meint er? Von Irland aus gesehen? Von den Ländern im Süden? Schon länger, als ich lebe, und ich bin nicht mehr der Jüngste, denken die Verantwortlichen unserer Kirche darüber nach, wo dieses Land liegen könnte, aber nicht einmal Gelehrte haben es herausgefunden.«
    »Es muss einen Hinweis geben«, beharrte Hakon, »und wenn es nur ein versteckter Hinweis ist. Lest mir das Buch vor, vom Anfang bis zum Ende!«
    »Aber das dauert Stunden … vielleicht sogar Tage.«
    »Worauf wartet ihr dann noch?«
    Den Pfaffen blieb nichts anderes übrig, als seiner Anweisung zu folgen. Abwechselnd übersetzten sie den schwülstigen Text des Buches, oftmals nach passenden Wörtern suchend und im Licht einer flackernden Talglampe kaum fähig, alle Schriftzeichen zu erkennen. Wenn sie aufblickten oder vor Müdigkeit innehielten, trieb Hakon sie unerbittlich an, begierig darauf, endlich den erlösenden Hinweis auf die Herkunft der dunkelhäutigen Frau zu hören.
    Doch Stunde um Stunde verging, ohne dass diese Andeutung kam. Brendan berichtete in verschachtelten Sätzen von einem Teufel, der drohte, ihn und seine Begleiter in einen Krater mit flüssiger Lava zu schleudern, und von einer langen Fahrt in einem kleinen, aus Leder gefertigten Boot, das den Eisschollen auf wundersame Weise trotzte. Er erzählte von kreischenden Vögeln und einem Wal, der beinahe ihr Boot zum Kentern brachte, erwähnte zahlreiche Ungeheuer, die ihn an seiner Fahrt ins »Verheißene Land der Heiligen« hindern wollten, bis er sein Ziel endlich erreicht hatte und sich zu Ehren des allmächtigen Gottes am süßen Saft der Reben berauschte.
    »Reben?«, merkte Hakon auf. »Hatte er Wein an Bord?«
    »Ich glaube nicht«, antwortete Bruder Gildas, »sonst hätte er ihn schon auf einer der ersten Seiten erwähnt, als er die Vorräte für die lange Reise aufzählte. Er muss den Wein im ›Verheißenen Land der Heiligen‹ gefunden haben.«
    »Vinland«, sagte Hakon nur.
    »Vinland?«, wiederholten die Pfaffen überrascht.
    »Euer Brendan war in Vinland.«
    »Es gibt viele Länder, in denen Wein wächst«, gab Bruder Gildas zu bedenken, »du kannst Wein auch aus Äpfeln, Birnen und Waldbeeren herstellen. Der heilige Brendan kann überall gewesen sein, selbst hier in Grünland.«
    Aber Hakon hatte die Kapelle schon verlassen und war zu Edwin unterwegs, um die gute Nachricht mit ihm

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