Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
Eisland, selbst an den kürzesten Tagen steht sie zwischen dem Morgen und dem Nachmittagsmahl am Himmel. Ein Land, in dem es sich gut leben lässt, meine Freunde.«
    Leif genoss die Freude seiner Zuhörer und die anerkennenden Rufe, labte sich am Met und deutete auf einen der Männer, die mit ihm gefahren waren, einen älteren Mann mit angegrauten Haaren und zerfurchten Gesichtszügen. »Ihr erinnert euch an Tyrkir, einen Mann, der aus einem Land kommt, in dem wilder Wein wächst, und der als mein Ziehvater an Bord war. Er erkundete das fremde Land und kehrte mit einer Meldung in unser Dorf zurück, die keiner von uns glauben konnte. Er wollte wilden Wein in den Wäldern gefunden haben. Doch er führte uns zu den Reben, und tatsächlich, es gab wilde Beeren, aus denen man Wein herstellen konnte und die uns in einen angenehmen Rausch versetzten. Deshalb habe ich dieses fremde Land auch ›Vinland‹ genannt. Lasst unseren Freund hochleben!«
    Die Menge johlte begeistert, und man trank auf das Wohl von Tyrkir, der sich sichtlich freute und bereitwillig nach dem gefüllten Horn griff, das einer der Sklaven ihm reichte. Der alte Mann war als trinkfest bekannt. Der Beifall wurde noch lauter, als er das Horn in einem Zug leerte und lautstark rülpste.
    Hakon, der auf einer der vorderen Bänke saß und die ganze Zeit vergeblich auf die Erwähnung einer Begegnung mit fremden Menschen gewartet hatte, konnte sich nicht länger zurückhalten und stellte die Frage, die ihm schon die ganze Zeit unter den Nägeln brannte. »Habt ihr Menschen in Vinland gesehen?«
    Leif setzte sein Horn ab und schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund. Dort gibt es keine Menschen. Wir waren die Ersten in Vinland. Es gibt Tiere, mehr Tiere als in der alten Heimat, aber keine Menschen. Nicht mal Wilde.«
    »Bist du sicher, Leif?«
    »Ganz sicher«, antwortete der Entdecker, »wir haben die ganze Gegend abgesucht und sind nie einem Menschen begegnet. Wir konnten zwar nicht das ganze Land erkunden, aber ich bin sicher, dieses neue Land haben die Götter nur für uns geschaffen!«
    Hakon brauchte fast den ganzen Herbst und Winter, um über diese Enttäuschung hinwegzukommen. Er saß oft lange am Herdfeuer und blickte in die Flammen, als hätten sie die Macht, ihm eine andere Antwort zu geben. Nur die Hoffnung, dass die Bewohner des neuen Landes im Verborgenen geblieben waren oder jenseits des großen Flusses lebten, hielt ihn aufrecht. Denn wo sollte er sonst nach der bronzehäutigen Frau aus seinen Träumen suchen? Wenn er doch nur das Buch noch hätte, dort gab es bestimmt einen Hinweis darauf, ob das unbekannte Land, das der Mönch Brendan gesehen hatte, in derselben Gegend lag wie Vinland.
    Edwin und Hakon verbrachten viel Zeit im Langhaus von Erik, der im Alter etwas milder geworden war, wie seine Frau hinter vorgehaltener Hand behauptete, und nicht mehr um sich schlug oder gleich zum Schwert griff, wenn ihm etwas nicht gefiel. Sie lauschten den Sagas eines betagten Skalden, der viele Winter am Hof von König Olaf gelehrt hatte und nach dem Tod seiner Frau und seines einzigen Sohnes nach Grünland ausgewandert war. Es gab reichlich zu essen und zu trinken, und dank der Baumstämme, die Leif aus Markland mitgebracht hatte, brannte das große Herdfeuer im Langhaus lichterloh.
    Für Edwin, den ehemaligen Sklaven, wurde der Winter zur Freudenzeit. Er verliebte sich in eine junge Sklavin, die seine Sprache beherrschte, und bat Erik den Roten, ihr die Freiheit zu schenken. Erik war natürlich zuerst dagegen und tobte, ließ sich aber schließlich von seiner Frau überreden und willigte ein. Edwin und die Sklavin mussten sich allerdings verpflichten, auch weiterhin für Erik zu arbeiten. Als Freie durfte sich Edwins junge Frau die Haare wachsen lassen und gefärbte Kleider tragen, ein Geschenk, das sie noch schöner und glücklicher aussehen ließ. Hakon war dabei, als sie einander die ewige Treue schworen, und beneidete sie, dachte während der Zeremonie nur an die bronzehäutige Frau aus dem Buch. Ob er sie jemals in den Armen halten und ähnliche Worte zu ihr sagen würde?
    Um dem Glück seines jungen Freundes nicht im Weg zu stehen, zog Hakon ins Langhaus der Sippe und überließ sein Haus dem jungen Paar. Er freundete sich mit dem alten Tyrkir an, der ihn in die Geheimnisse der Runenschrift einweihte und ihm die sechzehn Zeichen des Alphabets beibrachte. Er schnitzte sie in ein Stück Brennholz und sagte: »Merke dir diese Zeichen gut, denn von ihnen

Weitere Kostenlose Bücher