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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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zu teilen. Edwin hegte ähnliche Zweifel wie die beiden Pfaffen, hütete sich jedoch, etwas zu sagen. Stattdessen verkündete er: »Ich werde dich begleiten, Hakon. Ich will dieses Vinland sehen.«
    »Du hast eine Frau. Wer soll sie versorgen?«
    »Mach dir keine Gedanken um sie. Sie kommt zurecht. Die Frauen aus meiner Heimat sind zäh. Im Winter darf sie bei Thjodhild im Langhaus schlafen. Die beiden kommen gut miteinander aus. Was sagst du dazu, Hakon?«
    »Du bist uns willkommen, mein Freund!«
    Und so kam es, dass Hakon und Edwin gemeinsam an Bord der stämmigen Knorr gingen, die Thorwald von seinem Bruder übernommen hatte, und nebeneinander an den Rudern saßen, als sie aus der Bucht fuhren. Von der fernen Hügelkuppe winkten Thjodhild und Edwins Frau in wehenden Kleidern. Mit geblähtem Segel und von einem böigen Süddost getrieben segelten sie an der Küste von Grünland entlang nach Norden, dem Rand der Erde entgegen.
    Über dreißig Männer waren an Bord des Schiffes, alles erfahrene Kämpfer, die in ihrem Leben schon weit gesegelt waren. Byrnjolf war einer von ihnen, ein stämmiger Mann in einfachen Kleidern, der in der alten Heimat für den König in den Krieg gezogen und nach Grünland verbannt worden war, weil er einen Nachbarn erschlagen hatte. Man erzählte sich, dass sie um eine Frau gestritten hatten, die aber von beiden nichts wissen wollte und nach dem Mord spurlos verschwunden war.
    Byrnjolf war kein Berserkir, brauchte kein Rauschmittel, um sich für einen Kampf aufzuputschen. Er verfügte über ein ähnliches Temperament wie Erik der Rote und war wohl deshalb von dem rothaarigen Jarl in die Sippe aufgenommen worden. Nur weil er befürchtete, von Erik in die alte Heimat zurückgeschickt zu werden, wenn er gegen die Gesetze verstieß, hatte er außer zwei Sklaven niemanden mehr ermordet. Seitdem es auch als verwerflich galt, einen Sklaven zu töten, hatte er seine Wut an Tieren ausgelassen. Ein ausgewachsenes Rind hatte er mit dem Schwert gevierteilt.
    Thorwald hatte ihn nur mitgenommen, weil sein Vater darauf bestanden hatte. »Wenn es doch Wilde in Vinland gibt, brauchst du Männer wie ihn. Mit deinem Christengott kommst du nicht weit, wenn es zum Krieg kommt.«
    Sie hielten sich dicht an der Küste und folgten den Wolken, die so eilig nach Nordwesten zogen, als könnten sie es gar nicht erwarten, den fernen Horizont zu erreichen. Gewaltige Gletscher ragten an der Küste von Grünland empor, ein Teil des Landes, den sie nur betraten, wenn sie Eisbären oder Walrosse jagten. Die Bärenfelle waren bei den Menschen in Eisland und der alten Heimat heiß begehrt und wurden beinahe so gut bezahlt wie die elfenbeinernen Stoßzähne der Walrosse. Erik der Rote, so erfuhr Hakon unterwegs, hatte ein Vermögen mit den Zähnen der Narwale gemacht, mächtigen Tieren, die sie mit Speeren gejagt und mit Seilen aus dem Meer gezogen hatten.
    »Er hat den Käufern weisgemacht, sie stammten von Einhörnern«, berichtete Thorwald lachend, »dabei weiß doch jeder, dass es solche Tiere gar nicht gibt. Mein Vater kann froh sein, dass er nicht an den Christengott glaubt, der hätte ihm den Handel sofort verboten. Als Christ darf man nicht lügen.«
    »Auch nicht beim Handeln?«
    Thorwald grinste. »Nun … vielleicht ein bisschen.«
    Am späten Abend fuhren sie an der Westsiedlung vorbei. Wie die meisten anderen Männer stand Hakon an der Reling und winkte den Familien auf den Hügelkämmen zu. Auch auf den Höfen ihrer westlichen Nachbarn hatte man von ihrer Expedition nach Vinland gehört, und viele Menschen wollten sie verabschieden, wenn sie zu den fremden Küsten aufbrachen. Man setzte große Hoffnungen in sie. Das Leben an der Westküste war noch härter und entbehrungsreicher, und zahlreiche Sippen warteten nur darauf, dass jemand das Startsignal gab und ein Schiff mit Siedlern in ein fruchtbares Land schickte.
    Vor der Einfahrt in den Fjord trieb ein riesiger Eisberg im Meer. Wie fliegende Schleier waberten die abendlichen Dunstschwaden um die kantigen weißen Flächen. Als eine Windböe sie auseinandertrieb, glaubte Hakon ein blutrotes Segel in der Bucht zu erkennen, doch als er sich nach vorn beugte, um besser sehen zu können, war es bereits wieder verschwunden. Er rieb sich verwundert die Augen.
    »Hast du was Ungewöhnliches gesehen?«, fragte Edwin.
    »Nein … ich dachte nur … ach, nichts.«
    Thorwald gab den Befehl, das Segel auszurichten. Der Wind hatte gedreht und blies jetzt von Nordosten,

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