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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Onkel das Buch zu entwenden, und auf einen offenen Kampf durfte er es nicht ankommen lassen. Auch ein Sieg würde ihn nicht weiterbringen. Die Männer des Königs würden ihn sofort festnehmen und für die Verletzung der Stadtrechte bestrafen.
    Seine einzige Hoffnung war, dass Ivar das Buch einem Mann verkaufte, der bereit wäre, es für einen noch höheren Preis wieder abzugeben. Aber dazu musste er die Eisländer aufspüren, ohne von ihnen gesehen zu werden. In einer Stadt wie Haithabu ein schweres Unterfangen. Auf den Straßen, so hatte er gehört, tummelten sich über tausend Menschen, und ein Mann, den man eben noch gesehen hatte, konnte im nächsten Augenblick schon wieder verschwunden sein. Er musste Ivar so schnell wie möglich aufspüren und durfte ihn nicht mehr aus den Augen lassen. Denn wie sollte er wissen, wem Ivar das Buch verkauft hatte, wenn er denjenigen nicht mit eigenen Augen gesehen hatte?
    Benommen von der Erkenntnis, das Bild der geheimnisvollen Frau in unmittelbarer Nähe zu wissen, lief er ziellos durch die Gassen. Die marktschreierischen Anpreisungen der Händler und das Stimmengewirr, das wie das Summen unzähliger Bienen über Haithabu hing, dröhnten dumpf in seinen Ohren. Aus einer Hütte drangen die Laute eines Instruments, das er nicht kannte. Heftige Hammerschläge verfolgten ihn durch eine Gasse beim Fluss. Über manchen Hauseingängen hingen geopferte Tiere von eisernen Haken und verbreiteten einen heftigen Gestank, der sich mit den vielfältigen Gerüchen vermischte, die durch die offenen Türen nach außen drangen. Als er auf der Brücke über den Fluss stehen blieb und sich an das Geländer lehnte, sah er zwei halbwüchsige Mädchen am Flussufer sitzen. Sie kicherten leise, als sie ihn bemerkten.
    Die dunklen Gewitterwolken hatten beinahe schon den Erdwall erreicht, als er beschloss, auf der anderen Seite der Stadt nachzusehen. Dort hatte er die Zelte einiger Neuankömmlinge gesehen, auch die seltsamen Unterkünfte der Araber, die allerlei Zierrat an ihren Zeltstangen befestigten und sogar Teppiche auf das nasse Gras gelegt hatten. Er kürzte über die Straße ab, die zwei Tore der Stadtmauer miteinander verband und sogar breit genug für Frachtwagen war. Um nicht erkannt zu werden, hielt er den Kopf gesenkt. Was hätte er für einen der weißen Umhänge gegeben, mit denen sich die Araber kleideten! Eine bessere Verkleidung gab es nicht. Er hatte nur den Vorteil, dass alle Nordmänner dieselbe helle Haarfarbe hatten und ähnlich gekleidet waren. Aber Ivar würde ihn nicht übersehen.
    Bei den Zelten drang das derbe Lachen eines Mannes an seine Ohren. Er blieb sofort stehen und lauschte. Das war Ivar! Voller Hoffnung beschleunigte er seine Schritte und hastete in die Richtung, aus der das Lachen gekommen war. Er brauchte nicht lange zu suchen. Ivar, Gunnar und Ingolf standen im offenen Vorraum eines mehrteiligen Zeltes und sprachen mit einem hochgewachsenen Araber. Er hatte dunkle Augen, eine gekrümmte Nase und eine Narbe auf der Wange, die wie Thors Hammer geformt war.
    Und noch etwas sah Hakon. Ingolf hatte einen Sklaven dabei, einen Jüngling noch. Er hielt ihn an einer Leine aus geflochtener Walrosshaut, die aber so schlaff war, dass sich der Kurzgeschorene beinahe wie ein freier Mann vorkommen musste. Anscheinend war Ingolf sehr viel an diesem Sklaven gelegen. Nur widerwillig band er ihn vor dem Araberzelt an.
    Aber wie der Mann empfand, der ihn verraten hatte, war ihm eigentlich egal. Was ging es ihn an? Ihn interessierte nur das christliche Buch, das Ivar in der Hand hielt, als er dem Araber ins Zelt folgte. Niemand hielt Wache, und die Zelte standen so eng nebeneinander, dass es Hakon keine Mühe bereitete, hinter dem Araberzelt stehen zu bleiben und den Stimmen zu lauschen, die aus dem Inneren kamen.
    »Und du willst ausgerechnet mir, Ahmad Ibn Fadlan Ibn al-Abbas Ibn Raschid Ibn Hammad, dieses christliche Buch verkaufen? Mir, einem treuen Anhänger Mohammeds? Wie kommst du zu dieser kühnen Annahme, Ivar von den Schafsinseln?« Der Araber sprach ihre Sprache, betonte sie nur falsch.
    »Ich treffe dich nicht zum ersten Mal, Ibn Fadlan«, erwiderte Ivar erstaunlich freundlich. »Das letzte Mal, als ich hier war, hast du mir ein Kästchen abgekauft, in dem die Christen die Knochen eines ihrer Götter aufbewahren. Du weißt ein wertvolles Stück zu schätzen, nicht wahr?» Eine längere Pause und dann: »Wiege das Buch mit Silber auf, und ich will es dir

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