Der Stein der Wikinger
Bernstein? Oder denkst du an Gunnhild? Welcher Frau würde dieser Schmuck nicht gefallen. Aber vergiss nicht, dass es noch andere Waren in Haithabu zu kaufen gibt. Wir sehen uns später, Hakon. Lass dich nicht übers Ohr hauen!«
Als Nafni seinen Namen aussprach, zuckte Hakon nervös zusammen. Odin, hilf, schickte er ein leises Stoßgebet in den Götterhimmel. Lass sie nichts gehört haben. Schick sie weiter!
»Du bist zurückgekommen!«, rief der Bernsteinhändler erfreut. »Ich wusste gleich, dass du nicht genug von diesen edlen Steinen bekommen kannst. Du hattest dieses Glitzern in den Augen, das nur Männer zeigen, die den Wert eines Steines zu schätzen wissen.« Er nahm eine Fibel aus verziertem Bernstein in die Hand. »Sieh dir dieses kostbare Stück an, mein Freund! Würde die nicht gut zu der Kette passen, die ich dir zu einem unverschämt niedrigen Preis überlassen habe? Würde sich deine Verlobte nicht freuen, damit ihr Kleid zu verschließen? Wenn ich auf meinen ohnehin niedrigen Gewinn verzichte, könnte ich sie dir für eine Münze überlassen.«
Hakon blickte nur flüchtig auf die kleine Brosche. Seine Gedanken waren bei den drei Männern, die in diesem Augenblick an der offenen Tür vorbeiliefen. »Mir war’s, als hätte ich Hakon gesehen«, hörte er Ivar sagen. Und Gunnar erwiderte: »Hakon? Hier? Ich dachte, der wäre ertrunken.« Ingolfs Stimme klang düster. »Diesem Dreckskerl traue ich alles zu. Wenn er sich mit Loki und seinen Ungeheuern verbündet hat, konnte er auch einen Sturm überleben.«
»Ich überzeuge mich lieber selbst«, entschied Ivar und steuerte auf die offene Tür zu. »Wenn er wirklich vor dem Haus stand, hat er sich bestimmt darin versteckt.«
Hakon sah ihn kommen und suchte blitzschnell nach einem Ausweg. Es gab keine Hintertür, lediglich einige Kisten und Säcke, in denen Björn seinen Schmuck und seine Vorräte aufbewahrte. Das Herdfeuer loderte schwach.
Er zeigte Björn rasch den Silberbarren. »Hier, du bekommst einen guten Anteil, wenn du mich nicht verrätst«, raunte er dem Händler rasch zu. Um mehr zu sagen oder etwas von dem Silber abzuschneiden, blieb keine Zeit. So hastig, dass er mit seinem Wams beinahe eine Bernsteinkette vom Tisch gefegt hätte, versteckte er sich hinter einigen Kisten und hielt den Atem an.
Durch einen Spalt zwischen den gestapelten Vorräten beobachtete er, wie Ivar das Haus betrat. Auf seiner Wange leuchtete eine frische Narbe. Seine rechte Hand ruhte auf dem Schwert, in der linken hielt er einen Gegenstand, den Hakon im schwachen Licht des niedergebrannten Herdfeuers nicht erkennen konnte.
Gunnar und Ingolf lehnten in der offenen Tür und spähten in die Dunkelheit. Ingolf würde wohl nie vergessen können, dass Hakon ihm ein Mädchen abspenstig gemacht hatte, und hatte wie Ivar die Hand am Schwert, schien nur darauf zu warten, ihm die scharfe Klinge in den Leib treiben zu können.
»War Hakon hier?«, fragte Ivar den Händler. »Ein junger Nordmann?«
»Hier war überhaupt niemand«, antwortete Björn. »Wollt ihr etwas kaufen? Seht doch, ich habe wertvolle Schmuckstücke aus Bernstein hier. Glaubt mir, darüber würden sich eure Frauen freuen. Wusstet ihr, dass man dem Bernstein magische Kräfte nachsagt? Selbst die schöne Frau eines fremden Königs würde mit euch … Nun, ihr wisst schon, was ich sagen will. Ihr habt Silber?«
Ivar hörte dem Händler gar nicht zu. »Hier war niemand?«
»Aber nein«, antwortete Björn. »Warum sollte ich euch belügen?«
»Ich habe Stimmen gehört.«
Der Händler unterdrückte nur mühsam ein Grinsen. Seine Erfahrung sagte ihm, dass mit dem hünenhaften Fremden nicht zu spaßen war. »Es wäre auch seltsam, wenn es nicht so wäre«, erwiderte er, »ganz Haithabu ist voller Stimmen. Hier kannst du keine zwei Schritte gehen, ohne eine fremde Stimme zu hören. Außerdem rede ich gern mit mir selbst.« Er nahm eine Kette und ließ die Perlen über seine flache Hand gleiten. »Was ist? Wollt ihr ein wenig Silber ausgeben? Seht euch dieses Kleinod an! Ich mache euch einen Sonderpreis, weil ihr Nordmänner seid. Ich mache dann zwar keinen Gewinn und muss die nächsten Tage hungern, aber … He, wo wollt ihr hin?«
Hakon duckte sich unwillkürlich, als Ivar näher trat. Im flackernden Licht sah er das Schwert seines Onkels blitzen. Mit der ausgestreckten Hand hätte er es sogar berühren können, so dicht lief Ivar an ihm vorbei.
Er kroch etwas tiefer zwischen die Kisten und stützte sich
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