Der Stein der Wikinger
überlassen.«
Hakon stellte sich vor, wie der Araber lächelte. »Du bist ein kluger und weit gereister Mann«, antwortete der Händler. Seine Stimme schmeichelte. »Du hast ferne Küsten gesehen, die wir nur vom Hörensagen kennen, und du hast wertvolle Schätze in deinen Besitz gebracht, die das Haus jedes Herrschers zieren würden. Gib mir den jungen Sklaven, den du vor meinem Zelt angebunden hast, und ich will dir in meiner unendlichen Güte geben, was du verlangst.«
»Niemals!« rief Ingolf sofort. Er hatte noch nie mit Arabern zu tun gehabt und wusste nicht, dass eine direkte Absage als unhöflich galt. »Edwin ist einer meiner besten Sklaven. Ich brauche ihn. Du kannst ihn nicht haben.«
Ivar war kein Diplomat, aber im Handel erfahren: »Edwin ist ein schlechter Arbeiter. Es wäre ein Verbrechen, dir eine so schlechte Ware anzubieten. In Haithabu werden bessere Sklaven angeboten.«
Wieder glaubte Hakon, das Lächeln des Arabers zu sehen. »Du bist ein rauer Bursche, Ivar. So wie alle Nordmänner, mit denen ich zu tun habe. Aber du weißt, was die Höflichkeit einem gebildeten Menschen wie mir gebietet.« Man hörte das Klappern von Silber, anscheinend trank Ibn Fadlan aus einem der kostbaren Becher, wie Hakon sie auch bei anderen Arabern gesehen hatte.
Dann sagte er: »Ich bin sehr an dem Sklaven interessiert. Er ist jung und stark und nicht so hellhäutig wie ihr, dass er sich vor der Hitze in meiner Heimat hüten müsste. Ich werde hier sein, falls ihr es euch anders überlegt.«
Ivar war erfahren genug, um nicht noch einmal den Preis für das Buch zur Sprache zu bringen, auch Ingolf schwieg diesmal. Eine Zeit lang war nur das Klappern der silbernen Tassen zu hören. Hakon spürte Ivars Ungeduld bis nach draußen.
»Ich werde dir die Hälfte von dem geben, was du verlangst«, sagte Ibn Fadlan schließlich, »und mich für diese Großzügigkeit vor meiner Familie verantworten müssen. Es gibt viele dieser christlichen Bücher, und die Mönche zahlen schon lange kein Lösegeld mehr dafür. Ich werde das Buch nur kaufen, um dir eine Freude zu machen, und mein Haus damit schmücken.«
Ivar lachte. »Und weil du ein großzügiger Mann bist, wirst du noch den Ring dazugeben, den du am linken kleinen Finger trägst. Als persönliches Andenken an Ibn Fadlan, dem ich das Buch zum Spottpreis verkauft habe.«
Hakon machte sich rasch aus dem Staub, um keinem seiner Verwandten zu begegnen, und beobachtete aus sicherer Entfernung, wie Ivar, Ingolf und Gunnar das Zelt verließen und zur Stadt zurückkehrten. Ingolf zerrte Edwin, den Sklaven, wie einen ungezogenen Hund hinter sich her. Als Edwin über eine Zeltleine stolperte und zu Boden fiel, schrie Ingolf ihn wütend an.
Hakon schüttelte verwirrt den Kopf.
11
Am liebsten wäre Hakon in das Zelt des Arabers gestürmt und hätte ihm das Buch aus der Hand gerissen. Jeder Berserkir, von seinem Trank berauscht, hätte so gehandelt. Doch Hakon durfte kein Aufsehen erregen, die Stadtwächter könnten ihn festnehmen und vor ein Thing stellen. Oder die Männer des Arabers würden sich auf ihn stürzen und es käme zu einem Blutbad.
Nur einen Augenblick dachte Hakon daran, dem Araber sein ganzes Silber für das Buch zu bieten. Doch damit hätte er genauso wenig erreicht wie mit seinem Schwert. Nicht bei einem gerissenen Händler wie Ibn Fadlan, der bestimmt einen Christen kannte, der ihm noch mehr für ein solches Buch bot. Ein Mann wie Ivar gab sich mit Silber zufrieden, ein Araber wollte Gold.
Es sei denn … es sei denn, jemand brachte ihm diesen Sklaven.
Ibn Fadlan wollte ihn unbedingt haben, warum auch immer. Aus den Erzählungen weit gereister Nordmänner wusste Hakon, dass sich wohlhabende Araber gern mit schönen Knaben umgaben. Ibn Fadlan wollte diesen Edwin besitzen, das hatte Hakon an seiner Stimme gemerkt, als er nach ihm gefragt hatte. Der Araber wäre sicher bereit gewesen, ein Vermögen für ihn zu bezahlen. Warum Ingolf abgelehnt hatte, war Hakon nicht klar. Nordmänner schätzten Männer, die Knaben mochten, nicht besonders. Sie wurden verspottet, beschimpft und manchmal sogar geächtet. Oder hatte Ingolf seine Vorliebe für junge Männer die ganze Zeit verheimlicht?
Nachdenklich kehrte Hakon zu den Zelten seiner Begleiter zurück. Wenn es doch nur eine Möglichkeit gegeben hätte, in den Besitz des Sklaven zu kommen! Mit einem Pfand wie diesem wäre es ihm ein Leichtes gewesen, an das Buch zu kommen. Aber auch Ivar und seine Männer ließen
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