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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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einen Falken mit weit ausgebreiteten Schwingen über sich kreisen, als wäre er aus dem Reich der Götter herabgestiegen, um ihn auf seinem Weg zu beschützen.
    Doch als Hakon im Schatten einiger Felsen aus dem Sattel stieg und etwas Trockenfleisch aß, musste er erkennen, dass der Falke einen Krieger seiner ehemaligen Sippe zu ihm geführt hatte. Auch er saß auf einem der stämmigen Pferde, die in Eisland seit der Ankunft der ersten Siedler heimisch geworden waren. Mit ernstem Gesicht sagte der Krieger: »Ich wusste, dass du Bekan töten würdest.«
    »Gunnar!«, erschrak Hakon. Der Mann, der ihm als Einziger geholfen hatte, als er über Bord gegangen war. »Wer hat dir gesagt, dass ich hier bin?«
    Gunnar lächelte schwach. »Wohin solltest du sonst reiten, wenn nicht zu der großen Anlegestelle? Du wolltest die Insel verlassen, nicht wahr? Du hast Angst vor Ivar?«
    »Ich habe keine Angst vor ihm«, erwiderte Hakon. »Hat er euch nicht erzählt, wer ihm den Arm abgeschlagen hat? Wer ihn im Kampf besiegt hat?«
    »Er sagt, du hättest dich mit den bösen Mächten verbündet.«
    »Um Ivar in die Knie zu zwingen, brauche ich nicht den Beistand der bösen Mächte. Ich hätte ihn sogar töten können.« Hakon verzog geringschätzig den Mund. »Stattdessen habe ich den Fehler begangen, ihn zu verbinden.«
    »Du warst das?«, fragte er verwundert. »Ivar behauptet, dass du zu schwach warst, um dein Schwert zu halten, und ihn deshalb nicht getötet hast. Er hätte sich selbst verarztet und dich ausgelacht, als er sich davonmachte.«
    »Das ist eine Lüge!«
    »Ich weiß.«
    Hakon blickte ihn ungläubig an. »Du weißt, dass er gelogen hat?«
    »Niemand kann seinen abgeschlagenen Arm selbst verbinden«, erwiderte Gunnar nüchtern, »nicht mal ein tapferer Mann wie Ivar. Sein Stolz ließ es nicht zu, mir die Wahrheit zu sagen.« Er zögerte. »Warum hast du ihn nicht getötet?«
    »Ich weiß es nicht. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir gar nicht gekämpft. Ich wollte nur das Buch, das ich dem Mönch abgenommen hatte.«
    »Was ist so besonders an diesem Buch? Kannst du plötzlich lesen?«
    Hakon schüttelte den Kopf. »Kein Nordmann beherrscht die Pfaffensprache und lesen habe ich nie gelernt.« Er schwieg eine Weile. »Warum hast du mir die Kiste zugeworfen? Wir waren nie besonders gute Freunde.«
    »Es ist einfach passiert«, antwortete Gunnar, »als hätten die Götter meine Hand geführt. Ivar hätte mich dafür töten können. Ich kann von Glück sagen, dass er damals nicht so verbittert war wie in diesen Tagen. Heute würde er mir dafür den Kopf abschlagen. Oder mich ebenfalls über Bord stoßen.«
    »Und du? Wie wirst du heute handeln?«
    Gunnar hatte die Rechte scheinbar zufällig auf seinem Schwertknauf liegen. Sein Lächeln war kühl, in seinen Augen stand Bedauern. »Wir sind nicht auf dem Meer«, sagte er. »Hier kann ich dir keine Kiste nachwerfen.«
    »Du könntest mich reiten lassen … du könntest schweigen.«
    »Nein, Hakon, diesmal nicht. Das Gesetz verlangt, dass ich
dich zu einem Rechtssprecher bringe. Du hast gegen den Willen der Sippe gehandelt. Du hast Ingolf getötet, sonst wäre er aus Haithabu zurückgekehrt, und du hast den Berserkir besiegt, sonst würdest du nicht sein Pferd reiten. Ivar der Einarmige hat dem Mann, der ihm deinen Kopf bringt, viel Silber versprochen.«
    Hakon bewegte seine Hand zum Schwert. »Du willst kämpfen?«
    »Nein«, sagte Gunnar. »Ich kann nicht.«
    »Du hast Angst vor mir? Du bist feige?«
    »Du weißt, dass ich nicht feige bin«, erwiderte Gunnar entrüstet. »Ich habe mehr Männer getötet, als ich Finger und Zehen habe. Ich bin ein Nordmann.«
    »Und warum kämpfst du dann nicht?«
    Anscheinend verstand Gunnar es selbst nicht ganz. »Darauf kann ich dir keine Antwort geben. Vielleicht wollen die Götter nicht, dass ich kämpfe.«
    »Das ist seltsam, nicht wahr?«
    »Sehr seltsam.«
    »Was erwartest du? Dass ich dir mein Schwert gebe und dir freiwillig zu Ivar folge? Soll ich waffenlos und mit offenen Augen in mein Verderben reiten? Ivar würde mich tausend Tode sterben lassen. Oder er würde mir die Haare abschneiden und mich als Sklaven verkaufen. Er würde niemals zulassen, dass ich wie ein Krieger sterbe und nach Walhall ziehe.«
    »Ivar wird nicht über dich richten«, sagte Gunnar.
    »Du willst mich einem anderen Jarl ausliefern?«
    Gunnar lächelte schwach. »Nein, du wirst mir dein Schwert aushändigen und mit mir zum Allthing nach Thingvellir

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