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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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sich.
    Aus dem Westen, von einem nahen Bauernhof, wie Hakon erfuhr, kehrten Bekan und einige seiner Getreuen auf Pferden zurück. Der Berserkir hatte die Tiere gestohlen und die Gelegenheit genützt, um einen eigenen Krieg zu führen. Seine Grausamkeit beeindruckte sogar Ivar, der für blutige Kriegszüge und unnachgiebiges Vorgehen gegenüber Feinden und Freunden berüchtigt war. Ein Blick auf die blutverschmierten Waffen und die menschlichen Trophäen des Berserkirs verrieten jedem, wie rücksichtslos er auf dem einsamen Gehöft gewütet hatte.
    Die Wirkung seines Zaubertranks war bereits abgeklungen und er wirkte fröhlich und beinahe entspannt. Hakon hatte noch keinen Mann gesehen, dem das Töten solche Freude bereitete. Er präsentierte stolz seine Beute, vor allem Lebensmittel und lebende Tiere, die seine Begleiter auf einem Wagen mitführten, und sprang vor Ivar aus dem Sattel: »So einen guten Kampf hatte ich schon lange nicht mehr, mein Freund! Was für ein Leben, Ivar!«
    Sie schoben die schmalen Schiffe ins Wasser und gingen an Bord. Ivar stand am Vordersteven, das Wams mit dem Blut der getöteten Mönche und Bauern beschmutzt, und rief Befehle, ließ die Rahe mit dem quadratischen Segel am Mast hochziehen und feuerte seine Männer an, so schnell wie möglich vom Ufer wegzurudern. So war seine Taktik bei allen Kriegszügen, die er unternahm: überraschend an der Küste auftauchen, so viele Feinde wie möglich töten und mit reicher Beute verschwinden, bevor ein zufällig Überlebender auf die Idee kommen könnte, Hilfe zu holen. Auf dem offenen Meer waren die Nordmänner zu Hause, dort brauchten sie keinen Feind zu fürchten.
    Erst als die Küste nicht mehr zu sehen war, ließ er die Ruder einziehen und überließ es den Elementen, sie nach Eisland zu treiben. Die roten Segel wölbten sich knarrend im Wind, wurden von den kräftigen Tauen nur mühsam im Zaum gehalten, und der flache Kiel hielt das Schiff in der starken Strömung, die das Meer vor dem Feindesland aufwühlte. Der Vorder- und der Achtersteven tanzten im stetigen Rhythmus über die schäumenden Wellen.
    »Odin, wir danken dir!«, rief Ivar so laut in den Wind, dass man es auch auf den anderen Schiffen hören musste. »Du bist mit Sleipnir, deinem achtbeinigen Hengst, an unserer Seite geritten und hast uns zu einem großen Sieg verholfen! Mögest du uns sicher in unsere Heimat nach Eisland geleiten!«
    Hakon saß still auf einer Kiste, seine Gedanken weilten bei der jungen Frau, deren Bild an seinem Herzen lag. Bei jeder Welle, die das Schiff traf, spürte er die Berührung des Buches unter seinem Lederwams. Was war an dem erbeuteten Schatz, dass er kaum noch an etwas anderes denken konnte? Wer war die geheimnisvolle Frau, die ein unbekannter Künstler in das Buch gemalt hatte?
    Er schloss die Augen und glaubte sie dicht vor sich zu sehen. Sie war anders als die Menschen, die er bisher gesehen hatte. Ihre Haut war rötlich braun, und ihre glutvollen Augen erinnerten ihn an die Sklavin, die Ivar im letzten Winter aus dem Süden mitgebracht und nach einem Streit getötet hatte. Ihre hohen Wangenknochen gaben ihr ein königliches Aussehen. Sie war eine Edelfrau, nahm er an, die königliche Vertreterin eines fremden Volkes, das er noch nicht kannte. Eine Prinzessin, die sich einem einfachen Mann wie ihm niemals schenken würde. Und doch glaubte er ihre Stimme zu hören: »Komm zu mir!«
    »Wo bist du die ganze Zeit gewesen?«, fragte ihn Gunnar. Er zupfte an seinem rotblonden Bart. »In der Kirche warst du plötzlich weg. Hast du dir eins von den Mädchen geschnappt und ihr gezeigt, was für ein toller Hengst du bist?«
    Hakon öffnete die Augen und blickte ihn an. Er brauchte einige Zeit, um die Worte seines Rudernachbarn zu verarbeiten. »Das viele Töten strengt an.«
    Gunnar grinste. »Du gewöhnst dich daran. Wenn du so lange dabei bist wie ich, macht es dir nichts mehr aus. Nicht alle lassen sich so abschlachten wie diese Pfaffen. Wenn sie sich wehren, macht es mehr Spaß.« Er kratzte sich unterm Kinn. »Wir haben reiche Beute gemacht, nicht wahr? Sieh dir die Säcke an, sie sind alle prall gefüllt. Es geht uns prächtig!«
    Hakon teilte die gute Laune seines Rudernachbarn nicht. Die Kräfte des Buches zogen ihn in eine Traumwelt, die sich mit spiegelklaren Seen und rauschenden Bäumen vor ihm auftat. Die junge Frau tauchte am Ufer eines dieser Seen auf, lächelte ihm aus der Entfernung zu und hob die Hand zu einem schüchternen Gruß.
    Was

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