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Der Stein der Wikinger

Der Stein der Wikinger

Titel: Der Stein der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Vater ein rastloser Landsucher. Thorwald war nach seiner Mutter Tjodhilde geraten, einer gutherzigen Frau, die sich im Gegensatz zu ihrem Mann von einem christlichen Pfaffen hatte taufen lassen und der Lehre des Kreuzes ergeben war. Ihr jüngster Sohn glaubte ebenfalls an den Christengott und lebte strenger, als es die neuen Gesetze, die Thorgeir verkündet hatte, von den Eisländern verlangten.
    »Beeilt euch! Der Sturm kommt näher!«, trieb Thorwald Hakon und Edwin an, die ein schweres Wasserfass an Bord der Knorr wuchteten. Die anderen Männer trugen Kisten mit Vorräten, Fässer mit getrocknetem Fisch und gepökeltem Fleisch, Werkzeuge, Waffen und Haushaltsgeräte in den Frachtraum. Wie Hakon inzwischen erfahren hatte, gehörte der Besitz zwei Familien, die sich von ihrer Sippe losgesagt hatten und einem verbannten Verwandten nach Grünland folgen wollten. Thorwald, der mit seinen Männern von einer Handelsfahrt in die alte Heimat zurückkehrte, verlangte keine Bezahlung von den Männern, Frauen und Kindern.
    Edwin gehörte zu den Männern, die den schweren Mast aufrichteten und zwischen den Holzblöcken fest verankerten. Hakon half das Beiboot über Bord zu hieven. Sie waren von den anderen eher gleichgültig aufgenommen worden, aber das würde sich ändern, wenn sie erst einmal auf hoher See und aufeinander angewiesen waren. Erst auf dem Meer zeigte sich das wahre Wesen eines Mannes.
    »Holt die Frauen und Kinder!«, befahl Thorwald, als der Mast aufgerichtet war und Hakon und Edwin ihre Pferde im Frachtraum angebunden hatten. Der Anführer stand auf dem erhöhten Deck, eine Hand am geschwungenen Vordersteven. »Es wird Zeit, dass wir aufbrechen. Der Sturm kommt näher.«
    Zwei junge Burschen rannten los und holten die sieben Frauen und drei Kinder aus den Hütten, darunter ein Mädchen von höchstens vier Wintern. Etwas ängstlich, weil die meisten von ihnen noch nicht übers Meer gefahren waren, liefen sie zur Mole hinab. Sie waren warm gekleidet. Die Frauen trugen Kopftücher und Felle oder Decken um die Schultern, das kleine Mädchen war in ein Bärenfell gehüllt. Eine der Frauen, kräftig gebaut und mit Sommersprossen im Gesicht, war wie ein Krieger angezogen.
    Hakon wollte seinen Augen nicht trauen. »Gunnhild!«, flüsterte er entsetzt. Wie kam sie ausgerechnet hierher? Er saß neben Edwin an einem der vorderen Ruder, duckte sich rasch und blickte auf die andere Seite, als sie an Bord kam. Sie zerrte wütend einen der Ruderer im Heck von seiner Holzkiste. »Weg da, mach Platz!«, hörte Hakon sie sagen. »Wenn du am Ruder sitzt, kommen wir doch nie vom Fleck. Lass mich ran!«
    »Wer ist das?«, fragte Edwin leise.
    »Gunnhild von den Schafsinseln. Ich sollte sie heiraten und bin deshalb geflohen. Wenn sie mich erkennt, geht sie mit dem Schwert auf mich los!«
    »Du meinst, unser Glück ist zu Ende?«
    Darauf wusste Hakon keine Antwort. Er zuckte lediglich die Achseln und war dankbar, als Thorwald den Befehl zum Ablegen gab und sie an der Mole entlang aufs offene Meer hinausruderten. In einiger Entfernung von der Küste ließ der Anführer die Ruder einziehen und das rot-weiß gestreifte Segel setzen. Es blähte sich im böig auffrischenden Nordostwind und trieb die Knorr nach Westen.
    »Da oben sind Ivar und seine Männer!«, flüsterte Edwin, als sie die Ruder mittschiffs verstaut hatten. »Auf den Hügeln im Osten. Sie reiten zur Küste.«
    Hakon blickte zu den Hügeln empor und erkannte die Schatten einiger Reiter gegen den hellen Nachthimmel. Ivar schwang ein Schwert und brüllte auf seine Männer ein. Doch sie waren weit entfernt, und niemand auf dem Schiff beachtete sie. Und als sie die Mole erreicht hatten und ihre Pferde in die Brandung trieben, waren sie nur noch als kleine dunkle Punkte zu erkennen. Von Ivar dem Einarmigen drohte keine Gefahr mehr.
    »Das war knapp!«, flüsterte Hakon. Er war jedoch weit davon entfernt, sich entspannt zurückzulehnen. Lange würde es nicht mehr dauern, bis Gunnhild ihn entdeckte, und ihm wurde flau im Magen, wenn er daran dachte, was dann geschehen würde.
    Was hatte sie ausgerechnet an Bord dieses Schiffes getrieben? Warum war sie nicht auf den Schafsinseln, sondern fuhr nach Grünland?
    Hakon blickte nach Osten und sah die Küste von Eisland am Horizont verschwinden. Das Meer hatte ihn wieder, umgab ihn mit einer scheinbar endlosen Wasserwüste, die von einem Horizont zum anderen reichte. Der vertraute Geruch von Salz und Tang stieg ihm in die Nase und

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