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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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lesen: »Ich will nicht mehr.« Eine Ärztin hatte die Anweisung unterschrieben, auf weitere Reanimation zu verzichten.
    Der Sheriff beugte sich über das Bett seines Deputy und las von einer Karte ab: »Travis, machen Sie dieses Geständnis im vollen Bewusstsein der Tatsache, dass Sie im Sterben liegen?«
    Travis sah den Sheriff einigermaßen fassungslos an. Obgleich er schon mehrere Tode gestorben war und selbst gebeten hatte, man möge ihn beim nächsten Mal nicht mehr ins Leben zurückholen, hatte er dies offenbar nicht erwartet. Seine Augen waren plötzlich starr und blind wie die eines Toten. Riker gab es einen Ruck, als er die Tränen darin sah.
    Der Sheriff wiederholte die Frage, und Travis nickte langsam. Jetzt musste er es wohl glauben.
    Ohne eine Miene zu verziehen, zerknüllte Tom Jessop die Karte und verzichtete auf weitere Formalitäten. »Waren Sie bei dem Haufen? Haben Sie Cass Shelley umgebracht?«
    »Ich hab einen Stein nach dem Hund geworfen. Er hat mich angegriffen. Ich weiß nicht mal, wo der Stein herkam. Plötzlich hatte ich ihn in der Hand, und der Hund kam auf mich zu.«
    »Sie waren dabei, als sie starb.«
    »Ich bin nicht in böser Absicht hingegangen. Cass wollte mich anklagen.« Er beschrieb mit der Hand matte Kreise in der Luft. »Es stand in dem Brief. Die Labortests. Sie wollte mir aus all dem wissenschaftlichen Kram einen Strick drehen. Ich wusste, dass es ein Irrtum war, und das wollte ich ihr sagen. Ich hab in meinem Leben noch nie einem Kind was getan. Und ich wollte auch Cass nichts tun. Aber wenn so ein Gerücht in einer Kleinstadt erst in Umlauf ist ...« Er unterbrach sich. Sein Gesicht verzerrte sich in jähem Schmerz.
    Ein Klingelzeichen ertönte, und eine der Linien auf dem Monitor bewegte sich in wildem Zickzackkurs. Der Arzt schlich sich vorsichtig heran, aber der Sheriff drängte ihn zurück, ohne ihn zu berühren. Ein Blick genügte.
    Jetzt trat eine Krankenschwester, eine hoch gewachsene, stramme Schwarze, ans Bett. Sie hatte eine Injektionsnadel in der Hand und spritzte ein paar Tropfen in die Luft, dann suchte sie nach einer Vene in dem zerstochenen Arm des Patienten.
    »Was ist das?«, fragte Jessop.
    »Morphium gegen die Schmerzen.« Sie sah ihn an, als sei er gerade aus einer Kakerlakenfalle gekrabbelt, und der Blick, den sie dem Arzt an der Wand zuwarf, war nicht viel freundlicher.
    »Das können Sie ihm nicht geben.« Jessop trat einen Schritt vor. »Drogen sind ...«
    »Verpiss dich«, sagte die Krankenschwester und setzte die Spritze.
    Riker hatte großen Respekt vor dem Sheriff, der offenbar wusste, wann er geschlagen war, und begriffen hatte, wer hier letztendlich das Sagen hatte. Tom Jessop schwieg eisern, während die Schwester auf die Wirkung der Spritze wartete, die eine wichtige Aussage wertlos machte.
    Auch die Schwester nötigte Riker Respekt ab. Sie verkniff es sich, vor dem jungen Arzt auszuspucken, als sie gravitätisch aus dem Zimmer segelte, und das rechnete er ihr hoch an.
    Das Gesicht des Sterbenden hatte sich entspannt. Langsam fuhr er fort: »Dann flogen die Steine, und der Hund kam auf mich zu.«
    »Wie war das mit dem Brief?«
    »Mehr weiß ich nicht darüber.«
    »Wer war noch da?«
    »Iras Vater. Dann hatte ich einen Stein in der Hand, aber vom Boden aufgehoben hab ich den nächsten erst, als ich den ersten auf den Hund geworfen hatte. Ich habe nicht...«
    »Wer noch? War Babe Laurie dabei?«
    Travis nickte.
    »Haben Sie ihn Steine werfen sehen?«
    »Nein, aber das hat nichts zu bedeuten. Ich hatte mit dem Hund zu tun.«
    »Malcolm und Fred Laurie?«
    »Malcolm nicht. Fred war da, und der hat auch Steine geworfen. Malcolm ist weggegangen, ehe Jack Wooley den ersten Stein geworfen hat. Ich hab immer mehr Steine genommen, weil der Hund nicht locker ließ.«
    »Lassen Sie mal den Hund. Was war mit Alma Furgueson?«
    Travis hatte einen Augenblick den Faden verloren, und der Sheriff packte ihn an der Schulter, um ihn in die Gegenwart zurückzuholen.
    Riker fragte leise: »Hat Babe Laurie Sie jemals bedroht? Hatte er etwas mit Ihrem Herzanfall zu tun? Haben Sie sich an dem Tag, als er starb, mit ihm gestritten?«
    »Damit hatte ich nichts zu tun. Ich hab noch nie ein lebendes Wesen getötet. Den Hund hab ich mit Steinen beworfen, aber er ist ja durchgekommen.«
    »Wie kam es zu dem Herzanfall?«, fragte Riker.
    »Ich wollte den Hund abholen und mit ihm zum Tierarzt fahren. Dabei hilft mir Henry Roth sonst immer, aber er war noch nicht da. Und da

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