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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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ich den Jungen abgeholt habe.«
    »Sie haben also McKenna angerufen und nach Ihrem alten Freund Louis Markowitz gefragt, den Sie in Ihrem Leben noch nie gesehen hatten.«
    »Genau. Und McKenna hat mir schonend beigebracht, dass der alte Lou tot ist. Dann frag ich ihn, was aus Mallory geworden ist, und er sagt, dass sie inzwischen bei der Kriminalpolizei gelandet ist.«
    »Und dann haben Sie nach mir gefragt?«
    »Über Sie hatte er jede Menge zu berichten, Riker. Gedächtnis wie ein Elefant, der gute McKenna. Sogar den Namen des Jungen wusste er noch, den er für mich aufgespürt hatte. Wir konnten von Glück sagen, dass wir ihn so schnell gefunden haben. Er war in einem jämmerlichen Zustand, aber zumindest hatte er kein Loch im Bauch, sondern nur Nadelstiche an den Armen. Interessante Stadt, in der Sie leben, Riker. Kiffende Kinder, Leute, die an die Häuserwände pissen, Perverse, die über die 42 nd Street schlendern und sich kleine Jungs kaufen. Muss auf die Dauer ganz schön deprimierend sein.«
    »Stimmt. Aber jetzt hab ich in Louisiana meinen Gott gefunden.«
    Der Sheriff feixte. »Ja, ich hab gehört, dass Sie mit den Leuten von der Neuen Kirche in Owltown einen gehoben haben. Was Interessantes erfahren?«
    Riker holte ein zerknülltes Flugblatt aus der Tasche und hielt es auf Armeslänge von sich weg. »Du bist auf einer langen Reise über gefährliches Gelände«, las er. »Du kannst den mühsamen Weg wählen, oder du kannst ein Wunder kaufen und fliegen.« Er knüllte das Blatt zusammen und warf es zu den leeren Bierdosen auf dem Wagenboden. »Eine Religion, die mit Glückskekssprüchen und Slogans aus der Werbung für Fluggesellschaften arbeitet - also da komm ich nicht mehr mit.«

20
    Die Wände des Krankenzimmers waren in einem fröhlichen Orangerot gehalten, aber die gerahmten Bilder mit knospenden Frühlingsblumen konnte der sterbende Deputy Travis nur für einen schlechten Witz halten. Trotzdem bemühte er sich, kein Spielverderber zu sein. Der schmerzverzerrte Mund mochte als der groteske Versuch eines Lächelns gelten.
    Die Haut des Kranken war fahl und verschwitzt. Schläuche in den Nasenlöchern führten zu einem Sauerstoffgerät, weitere Schläuche leiteten aus sechs Plastikbeuteln intravenös Flüssigkeiten in seinen Körper. Die Kabel für den Schrittmacher waren an die Haut genäht. Er atmete mühsam. Auf einem Monitor zeichneten drei Wellenlinien seinen Herzschlag nach. Die rund ums Bett aufgestellten Maschinen sahen aus wie Ärzte, die mit Lichtzeichen, Piepsern und leuchtenden Linien über den Zustand ihres Patienten diskutierten.
    Der Körper verströmte einen schalen Geruch, der die antiseptischen Krankenhausgerüche überlagerte. Nach dreißig Dienstjahren wusste Riker, wann der Tod vor der Tür stand.
    An der anderen Seite des Bettes stand ein weiß bekittelter junger Mann mit einem Stethoskop und setzte dem Sheriff mit arrogant quäkender Stimme auseinander, dass er als Arzt größte Bedenken gegen diese Vernehmung habe. Er habe Travis dringend geraten, den Termin abzusagen. Sein hippokratischer Eid verpflichte ihn, seinen Patienten um jeden Preis zu schützen, und das wiege schwerer als die Belange der Polizei. Er müsse darauf bestehen, dass der Sheriff mit seinem Freund das Zimmer verließ. Sofort. Das sei ein Befehl.
    Der Sheriff trat nah an den jungen Mann heran, der kleiner war als er, schmalere Schultern und keine Waffe hatte. Er seinerseits, erklärte Tom Jessop ziemlich laut, rate dem Herrn Doktor dringend, die Kurve zu kratzen. Das sei ein Vorschlag. Andernfalls müssten sie eventuell Travis zur Seite rollen, um auf dem Krankenhausbett noch Platz für den Herrn Doktor zu machen.
    Dem jungen Mann fiel die Kinnlade herunter, und man sah, dass er weiche Knie bekommen hatte - offenbar war er solche Tiefschläge nicht gewöhnt. Nachdem er noch einen Blick auf seinen Patienten geworfen hatte, entschied er sich für eine etwas großzügigere Auslegung seines hippokratischen Eides und zog sich bis an die orangerote Wand zurück.
    Riker sah auf dem am Bett hängenden Krankenblatt, ob Travis kürzlich Schmerzmittel erhalten hatte, die sein Geständnis vor Gericht wertlos machen konnten. Er las Datum und Uhrzeit der Reanimationen nach einem heftigen Schock durch einen Autounfall und überlegte, ob dem jungen Arzt überhaupt bekannt war, was da noch auf dem Krankenblatt stand. Von einem anderen Arzt abgezeichnet, war da in zittriger Schrift - offenbar der von Travis - ein Satz zu

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