Der steinerne Engel
weit willst du noch gehen?«
Wie weit würde er für Mallory gehen? Bis zum Mittelpunkt der Erde, wo die Hölle sein musste. Was er Alma angetan hatte, versperrte ihm wohl endgültig den Weg in den Himmel.
Ehe er antworten konnte, kam der Wagen des Sheriffs aus der Richtung von Henrys Cottage aus dem Wald, blieb mit durchdrehenden Rädern in einer großen Wasserlache stecken, kam wieder frei und hielt ein paar Meter vor Riker und Charles an. Das Auto war schmutzig und wies frische Kratzer von niedrig hängenden Zweigen auf.
Der Sheriff beugte sich aus dem Fenster. »Wenn Sie noch mit Travis sprechen wollen, Riker, müssen Sie sich beeilen!«, rief er ihm zu. »Er will ein Geständnis ablegen. Der Arzt meint, dass er es nicht mehr lange macht.«
»Wir reden später weiter«, sagte Riker leise.
»Vielleicht sehen wir uns im Krankenhaus«, erwiderte Charles. »Ich könnte Alma Furgueson besuchen.«
»Gute Idee.« Riker ging durch das Gras zum Wagen des Sheriffs. Die Beifahrertür stand offen.
Als der Wagen hinter den Bäumen verschwunden war, hörte Charles, wie sich eine Tür öffnete. Er wandte sich um und war im Grunde nicht überrascht, Mallory dort stehen zu sehen. Eine Überraschung war nur die Veränderung, die mit ihr vorgegangen war. An die Stelle der Laufschuhe waren Reitstiefel getreten, sie trug eine wallende weiße Bluse aus vergangener Zeit und ein schwarzes Tuch um den Hals. Die Waffe hatte sie ganz offen an einem Gürtel an der rechten Hüfte hängen - eine Revolverheldin, wie sie im Buche steht.
Hinter Augustas Garten geriet der Wagen des Sheriffs erneut in eine Regenpfütze, und die Räder drehten durch.
Riker beugte sich vor, um die Zigarette anzuzünden, die zwischen den Lippen des Sheriffs hing. »Wäre es nicht einfacher gewesen, den Wagen bei Roth stehen zu lassen und zu Fuß zu Augusta zu gehen?«
Der Wagen fuhr wieder an. »Ja, aber ich ärgere die Alte gern ein bisschen. Sie denkt, dass sie ihr Land hundertprozentig abgeschottet hat, deshalb komme ich ab und zu mal mit dem Wagen vorbei, um ihr eine lange Nase zu drehen. Meist schreit sie dann Zeter und Mordio. In einer Kleinstadt ist man für jede Abwechslung dankbar.«
»Woher wussten Sie, wo ich bin?«
»Meine Stellvertreterin hat Sie beschattet.«
»Mich?«
»Sie hatte ziemlich bald kapiert, dass Sie ihr auf die Schliche gekommen waren, deshalb ist sie Henry gefolgt, um Sie abzuschütteln. Dann hat sie Henry laufen lassen, um sich wieder Ihnen an die Fersen zu heften. Nehmen Sie's nicht so ernst, Riker. Als Stadtmensch haben Sie sich gut geschlagen, sagt sie. Henry hat Sie offenbar ganz schön durch die Gegend gescheucht.«
Riker überlegte, ob Liliths Vorschlag in der Bar am Ende eine doppelte Täuschung gewesen war. Dem Sheriff waren solche Tricks zuzutrauen.
»Travis liegt also im Sterben«, sagte Riker. »Darauf haben Sie lange gewartet, stimmt's?«
»Siebzehn Jahre. Ich dachte schon, das Herz von dem Dreckskerl würde ewig schlagen. Ein Glück, dass ich Sie dabeihabe, Riker. Ich brauche einen Zeugen, damit das Geständnis vor Gericht anerkannt wird.«
Der Wagen bog in den breiten Highway ein.
»Ach, noch was, Riker.« Der Sheriff feixte. »Wenn Sie die Pflegetochter Ihres alten Freundes sehen, richten Sie doch Detective Mallory aus, dass sie ihre Taschenuhr jederzeit bei mir abholen kann.«
Riker rutschte tiefer in seinen Sitz und sah aus dem Fenster. »Okay, Sie haben gewonnen.«
Eine Meile fuhren sie schweigend dahin. Die endlosen Zuckerrohrfelder, die flache Landschaft, in der die Bäume die höchsten Erhebungen darstellten, wirkten beruhigend in ihrer Eintönigkeit. Da draußen drohten keine Überraschungen.
»Mal ehrlich von Cop zu Cop, Riker: Ist Kathy eine gute Kriminalbeamtin?«
»Eine der besten. Sie sind aber auch kein Stümper, Sheriff. Markowitz haben Sie bestimmt hintenrum in Erfahrung gebracht. Unter dem Vorwand eines Haftbefehls für einen New Yorker Fahrzeughalter?«
»Ja, aber dadurch habe ich nur erfahren, dass er ein toter Cop ist. Alles andere hat mir Jeff McKenna im Dezernat für vermisste Personen geliefert. Kennen Sie ihn?«
»Klar. Der Alte sitzt da schon eine halbe Ewigkeit.«
»Ich hatte das erste Mal vor achtzehn Jahren mit ihm zu tun, als ich einen Ausreißer suchte. Ich wusste, dass der Junge in
New York war, und rief McKenna an. Einen Monat später wurde der Junge bei einer Drogenrazzia erwischt, und McKenna hat mich verständigt. Wir haben uns persönlich kennen gelernt, als
Weitere Kostenlose Bücher