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Der steinerne Engel

Titel: Der steinerne Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol O'Connell
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seien.
    »Da haben Sie Glück. Er hat die Medikamente noch vor der Mittagspause rausgesucht.« Sie schob die Tüte über den Tresen. »Macht dreißig Dollar und fünfundzwanzig Cents, Dr. Butler.«
    Doktor Butler? Riker zahlte, machte die Tüte auf und las vertraute Namen. Das eine Mittel war ein entzündungshemmendes Präparat, das andere ein Antibiotikum, und Percodan wurde gegen Schmerzen verschrieben.
    Er ging zur Kellertür, neben der ein Pfleger gerade einen Rollstuhl abgestellt hatte, um die Toilette aufzusuchen.
    Riker öffnete die Kellertür. Das Treppenhaus lag wie ausgestorben da. Kurz entschlossen schnappte er sich den Rollstuhl und trug ihn die Treppe hinunter. Hier unten tat sich ein wahres Labyrinth ohne ein einziges Hinweisschild auf. Er ging erst nach Osten, dann führte der Gang um eine Ecke und nach Süden. Bei jeder Biegung musste er sich neu orientieren und suchte dabei ständig nach dem Zimmer, das zu dem Fenster mit der zerbrochenen Scheibe gehörte. Jetzt, in der Mittagszeit, war es hier totenstill.
    Er peilte eine Tür am Ende eines langen Gangs an. Dabei kam er an dem Frachtaufzug vorbei, der zum Lieferanteneingang auf dem Parkplatz führen musste. Das war fast zu schön, um wahr zu sein. Er spielte mit dem Gedanken, eine Frau niederzuschlagen und zu entführen, und es sah ganz so aus, als wollte der liebe Gott ihm dabei helfen.
    Vor der Tür am Ende des Flurs stellte er den Rollstuhl ab und hockte sich hin. Durch den breiten Spalt unter der Tür drang kein Licht. Er zog ein Taschentuch hervor und drehte die Birne über der Tür heraus, um nicht durch das Licht vom Gang her verraten zu werden. Das Schloss unter dem Türknauf ließ sich mit einiger Kraftanstrengung widerstandslos knacken. Leise öffnete er die Tür.
    Durch das Rechteck des eingeschlagenen Fensters ganz hinten drang kaum Helligkeit, der lang gestreckte Raum war so gut wie dunkel. Riker konnte sich zunächst nur an dem Lichtschein von Mallorys kleiner Taschenlampe orientieren.
    Sie war in die Durchsicht einer Hängeregistratur vertieft. Rechter Hand zeichneten sich die Umrisse einer Schreibtischlampe ab. Mit einer Hand griff er zum Schalter, mit der anderen packte er Mallory an der Schulter und wirbelte sie herum. Dann wurde es hell - aber der Schreck war für ihn womöglich größer als für sie.
    Einigermaßen fassungslos betrachtete er den breitrandigen Hut, der ihre Augen verbarg, den dunklen Mantel und den Gürtel, an dem ihr Revolver hing. »Jesse James persönlich«, sagte er. »Könnte es sein, dass du im Erdkundeunterricht nicht aufgepasst hast, Mallory? Wir sind hier im tiefen Süden und nicht im Wilden Westen.«
    Sie blickte blinzelnd auf. In ihrem Blick stand Schmerz. Mit einer heftigen Bewegung versuchte sie, seine Hand abzustreifen. Als er sie losließ, entspannte sie sich ein wenig. Er zog den Mantel zurück und ertastete den Verband unter der Bluse.
    »Diesmal hat's dich erwischt, was?«
    Sie schüttelte ihn ab und sagte nichts, war aber offenbar nicht gerade beglückt über das Wiedersehen. Er hielt ihr die Tüte mit den Medikamenten unter die Nase. »Dr. Butlers Verschreibung. Kommt mir sehr bekannt vor, das Zeug. Was wird hier gespielt?«
    Sie nahm ihm die Tüte ab und prüfte sorgfältig den Inhalt, als hätte sie ihn im Verdacht, etwas herausgenommen zu haben. Er wusste, dass sie Zeit gewinnen wollte, um eine überzeugende Ausrede zu erfinden.
    »Ich suche nach den Ergebnissen einer Laboruntersuchung, die meine Mutter für einen Patienten in Auftrag gegeben hatte. Die Unterlagen müssten hier sein.«
    Das konnte sogar stimmen. Mallory machte sich hin und wieder den Spaß, die Wahrheit zu sagen, um ihn zu verwirren. Aus den großen Taschen des langen schwarzen Mantels ragten blaue Bogen hervor. »Was hast du da?«
    Sie zog, ohne zu antworten, die nächste Schublade auf und setzte ihren Raubzug fort, was gar nicht so einfach war, denn sie musste, weil sie Riker nicht den Rücken zudrehen wollte, die Hängeordner von der Seite durchsehen.
    Die Chance, sie zu überrumpeln, war verpasst, und da der Hängeordner zwischen ihnen war, konnte er die Festung auch nicht im Sturm nehmen.
    »Wie geht's denn so, Riker? Du siehst miserabel aus.«
    »Ach ja? Ich hab das Verbrecherfoto von dir in der Gefängniskutte gesehen. Modisch der letzte Schrei.«
    Keine Reaktion. Sie nahm ihn überhaupt nicht zur Kenntnis.
    Bei Mallory musste man schon schwereres Geschütz auffahren. »Das FBI hat deine Spuren in einem Geheimarchiv

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