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Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Fensters. Auf dem Display sah sie, dass von hier aus keine Verbindung herstellbar war.
    Auf Strümpfen trat Diane in den Flur hinaus.
     
     
     
KAPITEL 53
     
    Alles war still. Sie spürte die ungleichmäßigen Bohlen unter ihren Füßen nachgeben. Ihre Augen hatten sich längst an die Dunkelheit gewöhnt. Am Ende des Flurs erkannte sie das blau schimmernde Viereck eines Glasfensters in einer Tür. Genau das, was sie brauchte.
    Dort angelangt, öffnete sie die Tür und trat auf die Terrasse hinaus. Heftig fuhr sie der eisige Wind an, doch sie hatte das Gefühl, wieder in Kontakt mit der fernen Welt der Satelliten zu stehen. Sie hielt ihr Telefon vor sich hin und sah auf dem Display, dass sie von hier aus das Signal empfangen konnte. Zügig gab sie die Nummer der Wohnung am Boulevard Suchet ein. Niemand meldete sich. Sie wählte die Nummer des Mobiltelefons ihrer Mutter. Nach einigen schrillen Pfeiftönen läutete es dreimal in der Ferne, dann ertönte das vertraute »Hallo?«
    Diane gab keine Antwort. Sofort fragte Sybille: »Diane, bist du das?«
    »Ja, ich bin’s.«
    Ihre Mutter legte sofort los: »Jesusmaria, was treibst du? Wo bist du?«
    »Das kann ich dir nicht sagen. Wie geht es Lucien?«
    »Du verschwindest spurlos, die Polizei sucht dich, und du rufst einfach an, ohne irgendwas zu erklären?«
    »Wie geht es Lucien?«
    »Sag mir erst, wo du bist.«
    Das Wunder der Technik machte es möglich: Zehntausend Kilometer lagen zwischen ihnen, aber die beiden Frauen brachten es fertig, sich wie eh und je zu streiten. Über die Brüstung gebeugt, sagte Diane, lauter als zuvor: »Mit diesen dämlichen Spielchen kommen wir nicht weiter. Noch einmal: Ich kann dir nichts sagen. Ich hatte dich aber gewarnt, was passieren würde.«
    Sybille schien außer Atem. »Der Polizist, der mit dem Fall betraut war«, fuhr sie fort, »er ist …«
    »Ich weiß.«
    »Sie behaupten, du hättest was damit zu tun, außerdem mit dem Tod einer Frau, und ich …«
    »Ich hab dir gesagt, du musst mir vertrauen.«
    »Ist dir eigentlich klar, was hier los ist?«, klagte ihre Mutter nun mit gebrochener Stimme. Anscheinend ging nicht mehr alles spurlos an ihr vorüber.
    »Wie geht es Lucien?«, wiederholte Diane.
    Die Stimme wurde noch schwächer – und immer noch keuchte sie leicht, als sie antwortete: »Sehr gut. Von Tag zu Tag besser. Manchmal lächelt er sogar. Daguerre meint, es ist nur noch eine Frage von Tagen, bis er aufwacht.«
    Eine Woge heißer Freude stieg in ihr auf. Sie sah die kleinen Mundwinkel, die sich in jäher Fröhlichkeit hoben, und dachte, dass sie eines Tages vielleicht doch wieder in Frieden und Seligkeit miteinander leben könnten. »Und das Fieber?«, fragte sie.
    »Er hat keines mehr. Seine Temperatur ist stabil.«
    »Und … im Krankenhaus? Ist nichts Ungewöhnliches passiert?«
    »Was soll denn passiert sein? Reicht’s dir etwa noch nicht?«
    Diane fand alle ihre Vermutungen bestätigt. Keine Rede mehr von Trance oder Krise: Die Lüü-Si-An hatten ihre Aufgabe erfüllt und waren außer Gefahr. Der Schauplatz des weiteren Geschehens war der Tokamak.
    Unterdessen hob ihre Mutter wieder erbittert die Stimme: »Wie kannst du mir das nur antun? Ich bin verrückt vor Sorge!«
    Diane sah hinüber zur Stadt, die als stille, undeutliche Masse in der Dunkelheit lag. Sie sah die breite Straße, die am Kloster vorüberführte, hier und da die Scheinwerfer eines japanischen Wagens, der weiß vom Staub durch die eisige Nacht fuhr. Am anderen Ende der Verbindung, hinter der Stimme ihrer Mutter, hörte sie Verkehrslärm und stellte sich die blitzenden Karosserien, die modernen Lichter der Pariser Straßen vor.
    »Ist Charles bei dir?«, fragte sie.
    »Ich bin auf dem Weg zu ihm.«
    Zwanzig Uhr. Der Beginn aller abendlichen Unternehmungen. Diane begriff jetzt, weshalb ihre Mutter außer Atem war: Zweifellos war sie zu einem Treffpunkt unterwegs, einem Abendessen oder irgendeiner Veranstaltung, verspätet und hastig. »Wie geht es Charles?«, fragte sie weiter.
    »Er ist besorgt, wie ich.«
    »Steht bei ihm irgendwas an in der nächsten Zeit?«
    »Was meinst du?«
    »Ich weiß nicht – hat er vielleicht vor zu verreisen?«
    »Aber nein … ganz und gar nicht. Was faselst du denn jetzt schon wieder?«
    Ihre schöne Hypothese sank in sich zusammen. Ihre Vermutungen entbehrten jeder Grundlage, und Diane erfasste mit einem Mal, wie hohl ihre Konstruktion war. Wie war sie nur auf die Idee gekommen, ihren Stiefvater mit dem Chaos des

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