Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der steinerne Kreis

Der steinerne Kreis

Titel: Der steinerne Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
Ereignis?«
    »Die Explosion des Tokamak. Wenn die Radioaktivität die Strukturen des Körpers verändern kann, warum nicht auch das Bewusstsein, die Geisteskraft?«
    »Dann wären die Forscher ebenfalls verstrahlt worden?«
    »Das weiß ich natürlich nicht. Aber diejenigen, die ermordet wurden, wiesen alle sehr merkwürdige körperliche Phänomene auf. Hautkrankheiten, Atrophien, Anomalien, die durchaus Strahlenschäden sein könnten, soweit ich weiß. Ich dachte zuerst, dass sie den GAU vielleicht sogar herbeigeführt und sich absichtlich der Strahlung ausgesetzt haben.«
    »Und das denkst du jetzt nicht mehr?«
    »Nein. Die Explosion hat eine ganz andere Rolle gespielt. Eine enthüllende.«
    »Versteh ich nicht.«
    Diane beugte sich zum Feuer und starrte Giovanni an. »Der Unfall im Jahr 1972 hat die erstaunlichen Kräfte, die in diesem Tal existieren, indirekt offenbart.«
    Sie betrachtete das Lager, die geschäftigen Tsewenen zwischen den Rauchschleiern, die sich nach und nach zusammen mit der Dunkelheit über die Landschaft legten und sie verschlangen.
    »Sieh dir diese Männer und Frauen an, Giovanni«, sagte sie. »Woher kommen sie? Wie hat es ein ganzes Volk geschafft, von allen unbemerkt Verfolgung, Kollektivierung und Hungersnot zu überleben? Eines ist sicher: In den siebziger Jahren gab es zweierlei Tsewenen – die einen, die es geschafft haben, sich in den Bergen zu verstecken, und die anderen, die im Tal geblieben sind und unterworfen, sesshaft gemacht, akkulturiert wurden. Diese waren es, die beim Bau des Tokamak mitgearbeitet und die gefährlichsten Jobs übernommen haben. Und sie waren es, die im Frühjahr 1972 den Reaktorunfall miterlebt haben. Aber ich kann mir vorstellen, was dann passiert ist …«
    Giovanni verzog das Gesicht. »Ich nicht.«
    »Streng dich an. Stell dir die verbrannten, verstrahlten, todgeweihten Arbeiter vor. Stell dir ihre verzweifelten Frauen vor, die genau wussten, dass von sowjetischer Seite keine Hilfe zu erwarten war. Was, glaubst du, haben sie getan? Sie haben ihre Rentiere gesattelt und sind in die Berge geritten, um die tsewenischen Schamanen zu suchen, die noch immer wunderbare Heilkräfte besaßen.«
    »Das meinst du nicht ernst.«
    »Doch, das meine ich. Die Tsewenen aus dem Tal wussten immer, dass ein Teil ihres Volkes in den Bergen lebte, streng nach der Tradition, und nach wie vor eine enge Beziehung mit den Geistern pflegte.«
    »Ich glaube, dir ist diese ganze Sache zu Kopf gestiegen! Was ja auch kein Wunder ist …«
    »Nein, hör zu! Die Frauen waren also in den Bergen. Sie haben den Schamanen erklärt, was passiert ist. Sie haben sie angefleht, mit ihnen ins Tal zu kommen, um eine Zeremonie zu veranstalten und die Menschen zu retten, die noch zu retten waren. Die Schamanen erklärten sich dazu bereit. Sie gingen das Risiko ein, entdeckt und verhaftet zu werden; trotzdem veranstalteten sie eine schamanistische Sitzung, um ihre Brüder zu heilen. Und ihre Methode hat sehr gut funktioniert, denn die meisten Opfer des GAUs wurden geheilt.«
    »Wie kannst du dir da so sicher sein?«
    Diane warf ihm ein breites, fiebriges Lächeln zu. »Wenn ich heute die Verstrahlung überlebt habe, wieso soll es 1972 anders gewesen sein?«
    Giovanni blickte nachdenklich, seine Skepsis schien zu schwinden.
    »Und was ist deiner Meinung nach danach passiert?«, fragte er.
    »Der wahre Alptraum begann für die Tsewenen erst danach. Irgendwie bekamen die Parapsychologen Wind von den Wunderheilungen und erkannten, dass die Fähigkeiten, nach denen sie drei Jahre mit ihren Experimenten an den Schamanen aus den Gulags vergeblich gesucht hatten, ein paar Kilometer von ihrem Labor entfernt tatsächlich existierten. Praktisch vor ihrer Haustür. Und in einem unvorstellbaren Ausmaß! Und ihnen wurde klar, dass sie sozusagen an der Wiege der paranormalen Kräfte saßen, denen sie so lange nachgelaufen waren.«
    »Und daraufhin hätten sie die Schamanen verhaftet?«
    »Sie hatten die Virtuosen in der Hand! Seltene Perlen! Mit ihnen nahmen sie ihre Experimente wieder auf, und diesmal hatten sie Erfolg. Sie schafften es, ihnen das schamanistische Wissen zu entreißen.«
    »Wie denn?«
    »Das ist ein Element, das mir noch fehlt. Aber dass es den Forschern gelungen ist, sich diese Kräfte anzueignen, das steht fest. Deshalb besitzen – oder besaßen – sie diese außergewöhnlichen Fähigkeiten, wie ich selber sie erlebt habe. Deshalb bin ich bei meinen Ermittlungen immer wieder auf völlig

Weitere Kostenlose Bücher