Der sterbende Detektiv - Roman
wahnsinniges Glück. Erinnerst du dich an diesen alten Gerichtsmediziner Lindgren? Groß, mager, sprach immer flüsternd, konnte nie jemandem in die Augen schauen, vollkommen verrückt, wenn du mich fragst.«
»Nein«, erwiderte Johansson. »An den erinnere ich mich nicht.« Verrückt sind die doch alle, dachte er.
»Mir fiel plötzlich ein, dass er seine Doktorarbeit über Selbstmorde geschrieben hatte. Er hat mich damals nämlich gefragt, ob ich nicht ein paar interessante Fälle für ihn hätte.«
»Und?« Komm zur Sache, dachte Johansson.
»Es zeigte sich, dass Vera Nilsson zu seinem Forschungsmaterial gehörte«, sagte Jarnebring. »Die Akte lag in einem der vielen Pappkartons, die er noch in seinem Büro in der Gerichtsmedizin in Solna stehen hat.«
»Sehr gut«, sagte Johansson. »Und was hältst du jetzt von Frau Nilssons Tod?«
»Selbstmord«, sagte Jarnebring. »Ich habe die Gelegenheit genutzt, die Akte zu lesen, wo ich schon mal den Experten in der Nähe hatte. Ich habe mit Lindgren Kaffee getrunken. Er sagt, es sei sonnenklar, dass es sich um einen Selbstmord gehandelt hat, obwohl sie keinen Abschiedsbrief hinterließ. Große Mengen Schlaftabletten und sehr viel Alkohol. Herzstillstand. Organversagen und alles, was dazugehört. Lies es halt selbst«, sagte Jarnebring und reichte Johansson die Akte.
»Kopfschmerzen«, sagte Johansson. »Aber ich höre dir gerne zu. Es gab sicher einen Brief, dachte er, den ihr Sohn unterschlagen hat.
»Ihr eigener Junge hat sie ja gefunden, unser Staffan Leander Nilsson. Er wurde vernommen, als der Todesfall gemeldet wurde, recht lapidar, von der Streife, die als Erstes eintraf. Er erzählte, er habe mehrfach versucht, seine Mutter telefonisch zu erreichen, dann habe er an ihrer Tür geklingelt. Aber ohne Erfolg. Was ihn beunruhigt habe. Er erzählte auch, dass sie so gut wie täglich Kontakt gehabt hätten, weil sie im selben Haus wohnten. Er besäße natürlich einen Schlüssel zu ihrer Wohnung, habe mit diesem geöffnet und die Wohnung betreten, sie tot auf dem Sofa gefunden und sofort die Polizei gerufen.«
»Wurde er nur ein Mal vernommen?« Verblüffend, dachte Johansson.
»Nein«, sagte Jarnebring. »Eine Woche später, nachdem die Techniker die Wohnung untersucht hatten, wurde er ins Dezernat für Gewaltverbrechen bestellt und dort erneut vernommen. Um offene Fragen zu klären. Den Kriminaltechnikern war nämlich aufgefallen, dass es in der Wohnung aussah, als sei sie durchsucht worden. Sie waren zwar nicht auf etwas wirklich Auffälliges gestoßen, aber seltsam fanden sie es schon.«
»Und was hatte der kleine Staffan dazu zu sagen?«
»Er berichtete bei der Vernehmung, dass seine Mutter ein Jahr lang sehr deprimiert gewesen sei. Offenbar seit sie im vorhergehenden Sommer zu arbeiten aufgehört hatte. Sie habe angefangen, recht viel zu trinken. Laut ihres Sohnes kam es manchmal vor, dass sie mehrmals in der Woche sturzbetrunken war. Einige Male sei sie dabei stark verwirrt gewesen.«
»So, so«, sagte Johansson.
»Ja«, pflichtete Jarnebring bei. »Wenn sie sich wirklich zusammengereimt haben sollte, dass ihr Sohn die kleine Yasmine vergewaltigt und ermordet hatte, dann kann es ihr nicht sonderlich gut gegangen sein.«
»Wohl kaum«, meinte Johansson. »Welcher Kollege vom Dezernat für Gewaltverbrechen hat die Ermittlung durchgeführt? «
»Der Kollege Alm«, meinte Jarnebring und grinste. »Im Dezernat bekannt als Holzkopf, und es war im Übrigen sein Chef, Kollege Saufkopf, der alte Kommissar Fylking, an den du dich sicher noch erinnerst, der das Verfahren eingestellt hat. Keine Hinweise auf eine Straftat, laut Fylking, und da man ohnehin alle Hände mit dem Mord an unserem lieben Ministerpräsidenten voll hatte, hatte auch niemand irgendwelche Einwände. Wie gesagt, ich bin ebenfalls seiner Meinung. «
»Sonst nichts?«, sagte Johansson und wedelte resigniert in Richtung der Papiere, die er erhalten hatte.
»Eine alte Freundin und Kollegin der Nilsson meldete sich ein paar Wochen, nachdem Vera Nilsson sich angeblich das Leben genommen hatte, bei der Polizei. Sie konnte weder glauben, dass Vera getrunken, noch dass sie sich das Leben genommen haben sollte. Laut der Freundin hatte Vera immer nur mäßige Mengen Alkohol konsumiert, obwohl sie keine Antialkoholikerin gewesen sei. Sie beschrieb ihre Freundin als fröhlich und positiv und als eine geradezu ideale Arbeitskollegin, als sie im selben Restaurant gearbeitet hatten.«
»Hatten sie
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