Der sterbende Detektiv - Roman
Selbstmord. Außerdem dachte er an den Sohn, dessen Interessen das Bestattungsunternehmen wahrnahm, und tat es deswegen nicht.«
»Und die Ermittlungsakte? Hat er die auch gefunden? Meine Kollegen müssen doch die Todesursache ermittelt haben? «
»Nein«, sagte Alf und schüttelte den Kopf. »Aber ich dachte, diese Akte müsstest du doch eigentlich auftreiben können. Damit hat man bei der Ahnenforschung eigentlich weniger zu tun. Wenn es so eine Akte gibt, dann müsste die inzwischen im Stadtarchiv in Stockholm liegen.«
»Sicher«, meinte Johansson. Oder in einem alten Pappkarton im Keller des Präsidiums, dachte er.
»Falls es dir weiterhilft, habe ich dir zu den anderen Papieren eine Kopie des Obduktionsprotokolls gelegt«, sagte Alf Hult und klopfte mit seinem mageren Zeigefinger auf den Papierstapel, den er auf Johanssons Couchtisch gelegt hatte.
»Alles der Reihe nach«, meinte Johansson. Alles der Reihe nach, dachte er.
67
Mittwochabend des 4. August 2010
An diesem Abend aß Johansson zusammen mit Max. Italienisches Essen, das er aus einem Restaurant in der Nähe hatte kommen lassen. Pia hatte ein Geschäftsessen mit der Bank. Zum ersten Mal, seit er aus der Klinik nach Hause gekommen war, hatte sie ihn abends allein gelassen. Er hatte sie mehr oder minder durch die Wohnungstür schieben müssen.
»Bist du dir sicher, dass du alleine zurechtkommst?«, hatte Pia gefragt, als sie endlich im Mantel in der Diele gestanden hatte.
»Verdammt noch mal, Kleine«, hatte Johansson erwidert. »Machst du dir Sorgen, Max könnte mich ausrauben, oder was?«
Dann aß er mit seinem eigenen Klein Evert zu Abend. Kalbsbraten und diese gesunde Pasta, die nur halb so appetitlich war wie die, die er sonst immer aß. Dazu Mineralwasser. Während Max den Tisch deckte, saß Johansson auf einem Stuhl, blätterte in der Zeitung und betrachtete Max’ häusliche Bemühungen.
»Ich will ein Glas Rotwein«, sagte Johansson, legte die Abendzeitung beiseite und nickte zum Flaschenregal. »Mach was Italienisches auf. Nimm die Flasche mit dem schwarzen
Etikett«, sagte er sicherheitshalber noch, weil er davon ausging, dass sich Max in diesen heiklen Fragen nur mäßig auskannte.
»Natürlich, Chef«, sagte Max.
Nach beendeter Mahlzeit setzte sich Max ins Wohnzimmer, schaltete den Fernseher ein und sah sich ein Fußballspiel der spanischen Liga an. Johansson legte sich auf das Sofa in seinem Wohnzimmer. Er hatte sich vorgenommen, die Flasche, die ihm Max aufgemacht hatte, leerzutrinken.
Dann wollen wir mal sehen, sagte die blinde Sara, dachte Johansson und nahm den Papierstoß, den er von seinem Schwager bekommen hatte, zur Hand.
Als Erstes las er das Obduktionsprotokoll. Sehr viel sprach für einen Selbstmord, nur über den Zeitpunkt des Todes von Vera Nilsson war sich der Obduzent im Zweifel.
Wenig verwunderlich, dachte Johansson. Das kleine Schwein hatte vermutlich einen Tag gebraucht, um ihre Wohnung zu durchsuchen, ob es irgendwo Aufzeichnungen oder Papiere gab, die ihm Ärger machen konnten.
Dann brachten sich Johanssons ständige Begleiter, die Kopfschmerzen, in Erinnerung, und er ging dazu über, einfach nur in alten Nachlassverzeichnissen und Unterlagen der Meldebehörde zu blättern, und stieß dabei auf den Lebenslauf, den Staffan Nilsson selbst verfasst hatte, als er sich um eine Stellung als Mädchen für alles bei der Stiftung seiner Tante Margaretha Sagerlied beworben hatte. Der Lebenslauf, der von einem korrekten Stiftungsvorsitzenden und Anwalt eingefordert worden war.
Zuoberst standen Ort und Datum. »Stockholm, 15. April 1983.«
Darunter als Überschrift: »Curriculum Vitae von Staffan Leander Nilsson, geboren am 5. Oktober 1960.«
Die Personenkennziffer fehlte, was wohl recht praktisch war, wenn man bedachte, was sein Schwager über den Wahrheitsgehalt des Dokuments gesagt hatte.
Ganz unten auf der Seite stand eine Versicherung, die von jenem Staffan Nilsson unterzeichnet worden war, um den es in dem Dokument ging: »Ich, Unterzeichneter Staffan Nilsson, versichere hiermit auf Ehre und Gewissen, dass diese Angaben mit der Wahrheit übereinstimmen.« Die Unterschrift wirkte für einen jungen Mann von dreiundzwanzig Jahren recht schwungvoll, und der abschließende Schnörkel hinter dem Nachnamen ließ in jedem Fall nicht auf mangelndes Selbstbewusstsein schließen.
Zwischen der Überschrift und der abschließenden Unterschrift stand Staffan Nilssons Zusammenfassung seines Lebens:
Im Jahr 1967
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